Lucy Sullivan wird heiraten
Empörung förmlich auf. Das war eine ziemliche Leistung, denn es hatte vorher schon ausgesehen, als würde sie im nächsten Augenblick platzen.
»Hör mal«, fuhr ich fort. »Du glaubst doch nicht etwa an den ganzen faulen Zauber mit der Wahrsagerei? Oder?«
»Die Tatsachen sprechen für sich«, sagte sie von oben herab.
»So ist es«, grinste Meredia. Jetzt, da sie Megan auf ihrer Seite wußte, war sie außerordentlich mutig und versuchte sogar, höhnisch den Mund zu verziehen. »Jawohl, die Tatsachen sprechen für sich, und deshalb solltest du dich ihnen besser stellen. Du heiratest, und Schluß.«
»Ich will wirklich nicht mit euch darüber streiten«, sagte ich beherrscht, »aber ich kann mir diesen Blödsinn nicht länger anhören. Für mich ist das Thema erledigt.«
Die beiden tauschten einen sonderbaren Blick, den ich bewußt übersah. Konnte es sein, daß Besorgnis oder gar Schuldbewußtsein darin lag?
Ich ging an meinen Platz, schaltete den Rechner ein, unterdrückte den Drang, mich aufzuhängen, der sich flüchtig, aber durchaus nachdrücklich, in mir meldete, und widmete mich dem, was zu tun war.
Nach einer Weile fiel mir auf, daß nach wie vor keine der beiden arbeitete. Das war zwar nicht weiter ungewöhnlich, zumal Mr. Simmonds noch nicht wieder zurück war, doch statt Privatgespräche mit Australien zu führen, in Marie Claire zu blättern oder ihr Mittagessen zu verzehren (was Meredia meist gegen halb elf tat), saßen sie einfach da und sahen mich komisch an.
Ich hörte auf zu schreiben und hob den Blick.
»Warum führt ihr euch eigentlich so abartig auf?« fragte ich gereizt.
»Sag’s ihr«, brummelte Meredia.
»O nein, ich nicht«, sagte Megan mit leicht bitterem Lachen. »Es war dein Einfall, jetzt sag es ihr auch.«
»Du bist doch ein Miststück!« begehrte Meredia auf. »Es war nicht mein Einfall, sondern unserer.«
»Da soll doch...« fiel ihr Megan ins Wort. »Du hast damit angefangen.« In dem Augenblick klingelte mein Telefon. Ohne den Blick von den beiden zu nehmen, die sich so ineinander verbissen hatten, daß die Fetzen flogen, nahm ich ab. Einen guten Streit ließ ich mir nur ungern entgehen, und Meredia und Megan waren auf dem Gebiet absolute Spitzenklasse. Es war amüsant zu sehen, wie kurz sie es durchgehalten hatten, ein Herz und eine Seele zu sein.
»Ja, bitte«, meldete ich mich.
»Lucy«, kam es zurück. Ich kannte die Stimme: meine Mitbewohnerin Karen. Sie klang verärgert. Vermutlich hatte ich vergessen, meinen Anteil an der Gasrechnung, der Telefonrechnung oder an was auch immer zu bezahlen.
»Hallo, Karen!« sagte ich rasch und versuchte meine Nervosität zu überspielen. »Es tut mir wirklich leid, daß ich nicht an die Telefonrechnung gedacht habe. Oder war es die Gasrechnung? Ich bin gestern erst spät nach Hause gekommen, und...«
»Lucy, stimmt das?« fiel sie mir ins Wort.
»Natürlich stimmt es«, gab ich entrüstet zur Antwort. »Es war schon weit nach Mitternacht, als ich...«
»Ach was, davon rede ich doch gar nicht«, sagte sie ungeduldig. »Ich meine, stimmt es, daß du heiratest?«
Der Raum um mich herum schwankte.
»Entschuldige bitte«, sagte ich schwach. »Wer hat dir denn um Himmels willen den Floh ins Ohr gesetzt?«
»Eure Telefonistin«, sagte Karen. »Ich muß schon sagen, das von ihr zu erfahren, finde ich das Letzte. Wann hattest du die Absicht, es Charlotte und mir zu sagen? Da glaubt man, deine besten Freundinnen zu sein, und jetzt müssen wir eine Anzeige aufgeben und uns eine neue Mitbewohnerin suchen. Dabei kommen wir doch so gut miteinander aus. Wenn wir nun eine Zicke kriegen, die nicht trinkt und keine gutaussehenden Männer kennt? Ohne dich wird alles ganz anders sein...« In diesem Jammerton ging es weiter.
Megan und Meredia waren verdächtig still geworden. Beide saßen da und rührten sich nicht. Auf ihren Gesichtern lag unübersehbar Schuldbewußtsein.
Sahen sie schuldbewußt drein? Karen sprach davon, daß ich heiraten würde? Und was war mit Megans und Meredias Beharren darauf, daß die auf Hetty gemünzte Prophezeiung »eingetroffen« sei? Mrs. Nolan hatte vorausgesagt, daß ich heiraten würde. Das Schuldbewußtsein auf ihren Gesichtern.
11
Z u guter Letzt dämmerte es mir. Die Sache war so unerhört, daß ich es kaum fassen konnte. War es wirklich möglich, daß sie glaubten, Mrs. Nolans Prophezeiung müsse sich auch bei mir bewahrheiten, weil sie bei Meredia, Hetty und Megan angeblich eingetroffen war? War es
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