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Lucy Sullivan wird heiraten

Lucy Sullivan wird heiraten

Titel: Lucy Sullivan wird heiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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was sie meinte. Sie tat es schon wieder. Was sagte sie? ... Was sollte das heißen? Drei Silben. Erster Buchstabe V? Was zum Teufel meinte sie?
    »Verpiß dich.«
    Als Daniel einen Augenblick abgelenkt war, weil er seinen Mantel auszog, beugte sie sich zu mir her und zischte mir ins Ohr: »Sieh zu, daß du hier schleunigst verduftest!«
    »Na klar doch.«
    Es war offenkundig, daß das Samenkorn meiner Unterhaltung auf steinigen Boden fiel und ich das fünfte Rad am Wagen war. Höchste Zeit, daß ich den Rückzug antrat, denn sonst würde es mir am folgenden Tag schlecht ergehen. Karen würde mir ordentlich die Leviten lesen (»Warum hast du blöde Kuh dich nicht einfach verdrückt? Wie bescheuert kannst du eigentlich sein?«)
    Ich wußte, wann ich unerwünscht war. Gewöhnlich hatte ich in dieser Hinsicht ausgesprochen gute Antennen und merkte es oft früher als die, die mich los sein wollten. An jenem Abend gab ich mich für meine Verhältnisse demonstrativ dickfellig.
    Mir war die Situation so peinlich, daß ich über und über rot wurde – das war mir gar nicht recht, denn jetzt sah es erst recht so aus, als hätte ich etwas falsch gemacht –, und ich murmelte: »Äh, ich geh mal kurz da rüber.« Dann wandte ich mich diskret von den beiden ab und ging in die Diele.
    Weder Daniel noch Karen hatten offenbar etwas dagegen. Ich war ein klein wenig enttäuscht, daß Daniel mich nicht zu halten versucht oder zumindest gefragt hatte, was ich tun wollte, doch ich wußte genau, daß mir seine Gegenwart in der umgekehrten Situation, wenn ich einen jungen Mann angemacht hätte, auch nicht recht gewesen wäre. Dann aber begann ich mich zu schämen. Ich stand allein da, hatte immer noch meinen Mantel an und sah niemanden, den ich kannte. Ich war überzeugt, daß mich alle anstarrten und alle wußten, daß mich dort niemand kannte. Mein anfängliches Hochgefühl war meiner alles überlagernden Gehemmtheit gewichen. Mit einem Mal war ich ziemlich nüchtern.
    Eigentlich hatte ich immer das Gefühl gehabt, das Leben sei eine Party, zu der mich niemand eingeladen hatte. Jetzt war ich wirklich auf solch einer Party, und es beruhigte mich fast, daß die Empfindungen, die ich gewissermaßen mein Leben lang gehabt hatte – Unbeholfenheit, Verfolgungswahn, das Gefühl, von den anderen geschnitten zu werden – genau das waren, was man in einer solchen Situation empfand.
    Trotz des Gedränges gelang es mir, Zentimeter für Zentimeter meinen Mantel abzustreifen. Ich zauberte ein strahlendes Lächeln auf mein Gesicht, in der Hoffnung, die lärmenden und glücklichen Menschen um mich herum zu überzeugen, daß sie nicht die einzigen waren, die sich amüsierten, und daß auch ich glücklich war, ein erfülltes Leben und einen Haufen Freunde hatte und nur deshalb gerade allein war, weil ich es so wollte, ich mich aber jederzeit ins Getümmel stürzen konnte, sofern mir danach war. Allerdings war das völlig unerheblich, denn niemand achtete auch nur im geringsten auf mich. Als mich eine junge Frau anrempelte, die aufgeregt zur Tür rannte, um jemandem zu öffnen und eine andere Frau beim Versuch, auf ihre Uhr zu sehen, ein Glas Wein über mich goß, hatte ich das Gefühl, unsichtbar zu sein.
    Mich ärgerte weniger mein nasses Kleid als die Art, wie mir die junge Frau zu verstehen gab, es sei meine eigene Schuld, so daß ich schließlich selbst glaubte, ich hätte nicht dort stehen dürfen.
    Irgendwie schwankte ich lebenslänglich zwischen dem Gefühl, schrecklich auffällig, und dem Gefühl, ganz und gar unsichtbar zu sein.
    Als sich dann in der Menge eine kleine Lücke auftat, erspähte ich Charlotte, und mir wurde wohler ums Herz. Sie schien mit einem jungen Mann zu sprechen. Ich lächelte breit in ihre Richtung und rief ihr zu, daß ich zu ihr rüberkommen wolle. Sie aber schüttelte, kaum merklich, aber dennoch entschieden, den Kopf.
    Nachdem ich ewig lange grinsend wie ein Dorftrottel dagestanden hatte, fiel mir ein, was ich tun konnte: das Bier in den Kühlschrank stellen. Ich war entzückt, eine Aufgabe und ein Ziel zu haben, von Nutzen zu sein. Auf meine ganz unbedeutende Weise war ich wichtig!
    Begeistert von mir und meinem neu entdeckten Wert kämpfte ich mich durch die Menschenmenge in der Diele und die noch größeren Menschenmassen in der Küche und stellte vier Dosen Guinness in den Kühlschrank. Dann klemmte ich mir die beiden übrigen unter den Arm und versuchte mir den Rückweg freizukämpfen. Ich wollte ins große

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