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Lucy Sullivan wird heiraten

Lucy Sullivan wird heiraten

Titel: Lucy Sullivan wird heiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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»Hör bloß auf. Hat dich meine Mutter dafür bezahlt, daß du hier ihr Loblied anstimmst?«
    »Nein, ich mag sie wirklich.«
    »Wenn das so ist, kannst du ja Donnerstag mitkommen, wenn ich sie besuchen geh.«
    »Schön.«
    »Was meinst du mit ›schön‹?«
    »Schön.«
    »Macht es dir nichts aus?«
    »Natürlich nicht.«
    »Mir schon.« Eine kleine Pause trat ein.
    »Können wir jetzt bitte aufhören, über sie zu reden?« fragte ich. »Es deprimiert mich.«
    »Aber uns war doch sowieso schon mies zumute.«
    »Ich weiß. Aber das war anders. Es war ein angenehmes mieses Gefühl.«
    »Okay. Wollen wir davon reden, daß wir eh alle sterben müssen und all das keine Rolle spielt?«
    »Ach ja, bitte. Danke, Dan, du bist ein Engel.«
    »Zuerst aber noch was zu trinken«, meinte er. »Welche Farbe haben wir noch nicht probiert?«
    »Grün.«
    »Kiwi?«
    »Einverstanden.«
    Die Getränke kamen. Obwohl Daniel und ich Unmengen gegessen haben, war es mir hinterher unmöglich zu sagen, was es war. Aber es muß mir geschmeckt haben. Daniel behauptet, ich hätte immer wieder gesagt, es sei köstlich. Und wir haben uns großartig unterhalten. Ich kann mich nicht mehr an viel von unserem Gespräch erinnern, aber ich weiß noch, daß es irgendwie darum ging, wie sinnlos alles ist und daß wir alle zum Untergang verurteilt sind. Damals fand ich das alles vollkommen sinnvoll. Ich war völlig eins mit mir, dem All und mit Daniel. Ich kann mich dunkel erinnern, daß er mit der Faust auf den Tisch geschlagen und mit Nachdruck gesagt hat: »Ganz meine Meinung.« Dabei hat er einen der Kellner (Gregor? Dmitri?) angehalten und zu ihm gesagt: »Hören Sie sich an, was diese Frau zu sagen hat. Sie spricht die Wahrheit, sie spricht nicht mit gespaltener Zunge.«
    Es war ein zauberhafter Abend, und wahrscheinlich säße ich immer noch da und riefe: »Lila! Haben Sie das auch in Lila?« wenn Daniel und mir nicht irgendwann aufgefallen wäre, daß wir die einzigen Gäste waren und viele breitschultrige Kellner im Smoking aufgereiht hinter der Bar standen und unverwandt zu uns hersahen.
    »Lucy«, zischelte er, »ich glaube, wir sollten allmählich gehen.«
    »Nein. Mir gefällt es hier.«
    »Wirklich, Lucy. Gregor und die anderen müssen nach Hause.«
    Da bekam ich ein sehr schlechtes Gewissen.
    »Natürlich. Natürlich. Noch dazu, wo sie mit dem Nachtbus Stunden brauchen, bis sie in Moskau sind, die Ärmsten. Bestimmt müssen sie morgen auch wieder ganz früh anfangen.«
    Daniel rief nach der Rechnung. Unser anfängliches pompöses Auftreten hatten wir längst aufgegeben. Die Rechnung kam – sehr zügig –, und Daniel warf einen Blick darauf.
    »Ist das die Staatsverschuldung von Bolivien?« fragte ich.
    »Schon eher die von Brasilien«, sagte er. »Aber was macht das schon?«
    »Genau«, pflichtete ich ihm bei. »Du hast es ja schließlich.«
    »So ist das nun auch wieder nicht. Das ist alles relativ Bloß weil man dich mit einem Hungerlohn abspeist, hältst du jeden für reich, der mehr verdient als du.«
    »Ach, so ist das.«
    »Es läuft einfach darauf hinaus, daß du um so mehr Schulden machen kannst, je mehr du verdienst.«
    »Dan, das ist großartig! Das ist eine tiefe ökonomische Wahrheit – mitten im Leben schwimmen wir in Schulden. Kein Wunder, daß du so eine gute Stellung hast.«
    »Nein, Lucy«, sagte Daniel. Seine Stimme klang heiser vor Erregung. »Was du gerade gesagt hast, ist großartig, so wahr: Mitten im Leben schwimmen wir tatsächlich in Schulden. Das mußt du unbedingt aufschreiben. Wir sollten überhaupt alles aufschreiben, worüber wir heute abend geredet haben.«
    Mir war von seiner und meiner Weisheit ein wenig schwindlig. Ich erklärte ihm, daß ich ihn für ausgesprochen weise und großartig hielte. »Danke, Daniel«, sagte ich, »das war einfach umwerfend.«
    »Ich freue mich, daß es dir gefallen hat.«
    »Es war hinreißend. So vieles ist mir jetzt klargeworden.«
    »Was zum Beispiel?«
    »Es ist doch kein Wunder, daß ich nie den Eindruck hatte, irgendwohin zu gehören, wo ich offensichtlich Russin bin.«
    »Wie kommst du darauf?«
    »Weil ich mich traurig und zugleich glücklich fühle. Außerdem kommt es mir ganz so vor, als gehörte ich hierher.«
    »Vielleicht bist du nur betrunken.«
    »Ach was. Ich war auch früher schon betrunken und hab mich nie so gefühlt. Meinst du, ich krieg in Rußland ’ne Stelle?«
    »Glaub ich schon. Aber ich möchte nicht, daß du dahin ziehst.«
    »Du kannst mich

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