Lucy Sullivan wird heiraten
Erklärung fällt mir nicht ein.«
»Danke.«
»Hör auf, ›danke‹ zu sagen. Es ist mir ernst.«
Während wir einander lächelnd angesehen hatten, war eine angenehme kurze Pause eingetreten. Gus’ Augen waren ein wenig glasig, wahrscheinlich von den vielen Peronis.
Es gab keinen Anlaß, Dennis damit zu behelligen. Ich beschloß daher, es zu übergehen und ihm nur das Positive zu berichten.
Gus hatte gesagt: »Äh, Lucy, darf ich dich was fragen?« Und ich hatte geantwortet: »Natürlich.«
»Ich konnte nicht umhin, mitzubekommen, daß du gegenwärtig keinen Freier hast...«
»So ist es.«
»... Liege ich dann richtig mit der Annahme, daß es da ’ne freie Stelle gibt?«
»So könnte man das ausdrücken.«
»Ich weiß, daß das ziemlich dreist klingt, aber gäbe es unter Umständen die Möglichkeit, daß du mich für diese Stelle in Erwägung ziehen könntest?«
Ich sah auf das rotweiß karierte Tischtuch, weil ich zu gehemmt war, ihm in die Augen zu schauen, und murmelte »Ja.«
Dennis war von mir enttäuscht.
»Mensch, Lucy«, seufzte er. »Hast du dir denn nichts von dem gemerkt, was ich dir gesagt hab – du darfst nicht so leicht nachgeben. Laß sie sich abstrampeln.«
»Nein«, erklärte ich fest. »Du mußt verstehen, daß ich mit ihm keine Spielchen spielen wollte – ich hatte Angst, er würde das Ganze sogar dann falsch verstehen, wenn ich mit offenen Karten spielte. Hätte ich mit weiblichen Schlichen und Ränken gearbeitet – ›nein‹ gesagt, wenn ich in Wirklichkeit ›vielleicht ‹ meinte, ›vielleicht‹ gesagt, wenn ich ›ja‹ meinte – wäre das womöglich das Ende gewesen.«
»Wie du meinst. Was ist dann passiert?«
»Er hat gesagt: ›Ich bin auch frei. Ißt du die Pizza da auf?‹«
»Ein Teufel mit silberner Zunge«, knurrte Dennis, offenkundig unbeeindruckt.
»Ich war hin und weg«, sagte ich.
»Ich weiß nicht, Lucy. Gehst du mit ›hin und weg‹ nicht ein bißchen zu weit?« fragte Dennis. »Ich meine, schließlich war sie ja bezahlt, und insofern konnte sie ruhig jemand aufessen.« Ich ging nicht weiter darauf ein.
»Und wie ist er so als Liebhaber?« fragte Dennis.
»Das weiß ich nicht.«
»Hast du ihn nicht rangelassen?«
»Er hat’s nicht probiert.«
»Aber ihr wart doch fast vierundzwanzig Stunden zusammen. Machst du dir da keine Sorgen?«
»Nein.« Okay, seine Zurückhaltung war beachtlich, aber so was soll’s geben.
»Wahrscheinlich ist er schwul«, sagte Dennis.
»Nie und nimmer.«
»Aber es scheint dir nichts auszumachen, daß er dich nicht gebumst hat?« sagte Dennis. Es klang verwirrt.
»Weil es mir wirklich nichts ausmacht«, sagte ich. »Ich mag es, wenn sich ein Mann Zeit läßt und mich erst näher kennenlernen möchte, bevor er mit mir schläft.«
Das sagte ich nicht nur, um vor Dennis mein Gesicht zu wahren. Mir waren Männer verhaßt, die von Anfang an (sozusagen) hoch hinauswollten, kräftige, erwachsene Männer mit einem kräftigen sexuellen Appetit. Sie hatten vor Muskeln strotzende Oberschenkel, Haare auf der Brust, gewaltige unrasierte Kinnbacken, Männer, die nach Schweiß, Salz und Sex rochen, die Schlafzimmeraugen machten und denen er sechsmal pro Stunde stand. Sie kamen in ein Zimmer und ihr Körper sagte: Hier ist schon mal mein Ständer, der Rest kommt in etwa fünf Minuten nach. Solche Männer, die nur auf das weibliche Becken fixiert waren, jagten mir eine Heidenangst ein.
Wahrscheinlich dachte ich, daß sie sehr fordernd sein und meine Leistung im Bett äußerst kritisch begutachten würden. Solche Männer konnten jede Frau haben, auf die sie gerade Lust hatten und waren daher Spitzenleistungen gewöhnt. Wenn ich in ihr Bett stiege, ohne bemerkenswerte Brüste, ohne lange Beine und ohne Sonnenbräune, wären sie ziemlich enttäuscht.
»Was soll das denn?« würden sie sagen, wenn ich mich auszog. »Du bist ja das reinste Schneewittchen: kaum Arsch, keine Titten – ganz anders als die, mit der ich heute nachmittag ’ne Nummer geschoben hab.«
Kurz gesagt hoffte ich, daß ein Mann eher bereit wäre, meine offenkundigen körperlichen Mängel wegen meiner angenehmen Persönlichkeit zu übersehen und mich liebevoll zu behandeln und nicht auszulachen, wenn er mich näher kennenlernte, bevor wir miteinander ins Bett gingen.
Das soll nicht heißen, daß ich nicht schon ein- oder zweimal mit Männern geschlafen hatte, die ich noch nicht lange kannte. Bei diesen Gelegenheiten hatte ich das Gefühl gehabt, daß mir
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