Lucy und Olivia 04 - Die Vampirverschwoerung
Audrey, »dann lass ich dich mal deine Zauberkünste anwenden.« Sie zwinkerte Lucy zu und verließ das Zimmer.
Lass mich nicht allein!, hätte Lucy am liebsten gerufen. Sie hatte keinerlei Erfahrung mit Menschenkindern. Das war schließlich nicht so, wie wenn sie mit Brendans kleiner Schwester zusammen war. Vampirjäger zu spielen, kam nicht infrage. Was soll ich denn bitte einen ganzen Abend lang mit zwei überdrehten Häschenbabys machen?, dachte sie voller Panik. Sie konnte kein Ballett und sie würde sich bestimmt nicht mit ihnen über Ponys unterhalten.
»OLIVIA, WORAUF WARTEST DU?«, schrie das Mädchen in dem gelben Tutu.
Menschenkinder sind wie Tiere, dachte Lucy. Sie können es riechen, wenn du Angst hast. Sie durfte sich nichts anmerken lassen.
»Guck, Olivia«, sagte das Mädchen in dem rosa Tutu. »Wir haben uns extra für dich fein gemacht.«
»Wirklich?«, fragte Lucy und die beiden kleinen Mädchen strahlten sie engelsgleich an. Dem Mädchen in dem rosa Tutu fehlten zwei Schneidezähne.
Plötzlich wurde Lucy klar, dass die beiden nichts anderes von ihr erwarteten, als die muntere, schwungvolle, lustige Olivia zu sein, die sie kannten. Ich muss ihnen einfach genau das geben, was sie wollen, dachte sie.
Lucy klatschte in die Hände. »Na dann. Das sind die hübschesten, glänzendsten, prinzessinnenmäßigsten Outfits, die ich je gesehen habe!«, sagte sie und schwenkte so gut sie konnte auf Olivia-Art ihren Pferdeschwanz. »Ich finde sie absolut hinreißend!«
»Siehst du, ich hab dir doch gesagt, dass es ihr gefallen würde«, sagte das Mädchen mit dem gelben Tutu und strahlte ihre Schwester an.
Olivia saß am Tisch in Lucys Küche, als ihr Vater einen Blick in den Ofen warf.
»Was gibt’s zu essen?«, fragte sie, wobei sie unter dem Tisch nervös mit dem Bein wippte.
»Das ist eine Überraschung«, antwortete er geheimnisvoll.
Heute Nachmittag hatten Olivia und Lucy vereinbart, dass sie sich beim Abendessen irgendeine Ausrede einfallen lassen würde, um nichts essen zu müssen, das ihr Übelkeit verursachen würde.
»Sag einfach: ›Mir geht’s nicht gut‹ oder ›Ich mache gerade Diät‹«, hatte Lucy erklärt.
Aber jetzt war der Abend so gut gelaufen, dass Olivia
ihn nicht kaputt machen wollte. Ihr Vater hatte für sie den Tisch richtig schön gedeckt.
»Kannst du mir nicht einen Hinweis geben?«, fragte sie ängstlich.
Ihr Vater kam herüber und zündete eine Kerze auf dem Tisch an. »Zur Feier unseres Umzugs habe ich ein europäisches Gericht gekocht, das für seinen Geschmack, seine Konsistenz und seinen Eisengehalt berühmt ist«, sagte er stolz.
Olivia drehte sich der Magen um. Das bedeutet ganz sicher irgendwas Blutiges, dachte sie. Sie stürzte ihr Glas Wasser herunter.
»Ich glaube, ich habe keinen Hunger«, sagte sie kurz danach.
Ihr Vater machte ein enttäuschtes Gesicht und Olivia hatte schreckliche Schuldgefühle. »Willst du nicht wenigstens ein bisschen was probieren?«, bat ihr Vater. »Das ist wirklich eine Delikatesse. Es gehört zu einem traditionellen Menschenfrühstück.«
Dann kann es ja nicht allzu widerlich sein, dachte Olivia. »Also gut, ich probiere ein bisschen.«
Ihr Vater zog sich einen grauen Ofenhandschuh an und durchquerte die Küche, um etwas aus dem Ofen zu holen. Sie konnte sehen, dass er etwas in Stücke schnitt. Dann kam er zurück und stellte einen Teller vor ihr ab. Darauf lagen zwei dicke Scheiben, die aussahen wie aus Matsch.
Olivia stach eine mit der Gabel an. »Was ist das?«
»Ein Gericht, das in England sehr beliebt ist«, sagte ihr Vater stolz.
Das klingt ja gar nicht so übel, dachte Olivia. »Und woraus besteht das?«
»Es ist in Scheiben geschnittene Blutwurst«, sagte ihr Vater nüchtern.
»Und das essen Menschen?«, platzte Olivia heraus.
»Andauernd«, erwiderte ihr Dad und setzte sich ihr mit seinem eigenen Teller gegenüber. Er schnitt ein riesiges Stück ab und steckte es in den Mund. Dann schloss er verzückt die Augen und aß genüsslich. »Mhmmmm.«
Auffordernd zeigte er auf Olivias Teller, aber sie konnte sich nicht rühren. Sie war vollauf damit beschäftigt, nicht durch die Nase zu atmen.
»Na, los«, sagte er und nickte ihr zu.
Die Gabel und das Messer in Olivias Händen zitterten. Sie zwang sich, ein Stück von der Größe ihres Fingernagels abzuschneiden. Dann stellte sie ihr Glas zurecht, damit sie den Bissen sofort mit Wasser herunterspülen konnte.
»Es wird doch ganz kalt«, erklärte ihr
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