Lucy und Olivia 04 - Die Vampirverschwoerung
rief Audrey. »Du musst dich auch verbeugen, Steve!«
»Ich kann nicht«, stöhnte Mr Abbott vom Boden her. »Mein Rücken«, sagte er entschuldigend.
Lucy half ihm auf und setzte ihn in den Sessel. Dann kamen die Mädchen zu ihr, namen sie an den Händen und zogen sie vor das Sofa. Lucy machte eine schwungvolle Verbeugung, wobei ihr Pferdeschwanz nach vorne wippte.
Ich bin schon fast so gut darin, Olivia zu sein, wie Olivia, dachte Lucy stolz. Wie es ihr wohl gerade als Lucy ergeht?
Ich tausche nie wieder zur Essenszeit mit Lucy die Rollen, dachte Olivia. Die Gabel mit demselben winzigen Stück Blutwurst schwebte immer noch vor ihren Lippen. Sie versuchte weiterhin, sich dazu zu bringen, das Zeug in den Mund zu stecken. Dad wird Verdacht schöpfen, dachte sie verzweifelt. Ich muss es jetzt tun. Plötzlich klingelte nebenan das Telefon.
»Ich geh ran«, sagte ihr Vater, legte seine Serviette auf den Tisch und stand auf. Olivia wartete, bis er den Raum verlassen hatte, dann sprang sie auf und huschte zum Mülleimer. Sie schob die beiden Blutwurst-Scheiben mit der Gabel hinein und versteckte sie unter ein paar zerknüllten Papierküchentüchern. Sie hatte sich gerade wieder gesetzt, als Mr Vega zurückkehrte.
»Wer war das?«, fragte sie betont beiläufig.
»Telefonwerbung.« Ihr Vater verzog das Gesicht, als er sich wieder hinsetzte. »Er war ziemlich penetrant.
Ich musste ihm mehrmals sagen, dass wir kein Sargwachs benutzen.« Er bemerkte Olivias leeren Teller. »Hast du schon aufgegessen?«
»Es war köstlich.« Olivia schluckte.
»Ich wusste, dass es dir schmecken würde«, sagte ihr Vater. »Ich hol dir noch was.«
»Nein!«, platzte Olivia heraus. »Ich meine, nein, danke.« Sie tätschelte ihren Bauch, als wäre sie satt. »Aber vielen Dank, dass du das extra für mich gekocht hast.« Sie lächelte und ihr Vater lächelte zurück.
Am frühen Samstagmorgen öffnete Lucy leise das ebenerdige Fenster an der Rückseite ihres Hauses, kletterte hinein und stieg die Stufen zu ihrem Zimmer hinunter.
Olivia lag in Lucys Schlafanzug mit dem Grabstein-Muster zusammengerollt auf ihrem Bett und hielt ein schwarzes Katzenkissen im Arm.
Nur noch vier Tage, bis Dad und ich wegziehen, dachte Lucy traurig, und betrachtete ihre schlafende Schwester. Und wer weiß, wann ich Olivia dann wiedersehen werde?
Sie beschloss, ihre Schwester noch ein paar Minuten schlafen zu lassen, und glitt auf ihren Schreibtischstuhl, um den neuen Laptop hochzufahren, den ihr Vater ihr fürs Internat gekauft hatte. Lucy wartete ungeduldig darauf, dass ihre neuen E-Mails heruntergeladen wurden. Aber als sie schließlich auf dem Bildschirm erschienen, war sie enttäuscht; es war immer noch keine Antwort des Kunstmuseums dabei. Sie stieß einen lauten Seufzer aus.
»Immer noch nichts?«, sagte Olivia hinter ihr.
Lucy drehte ihren Stuhl um und sah, dass Olivia aufrecht im Bett saß. »Die Zeit läuft uns davon«, erklärte Lucy.
Olivia nickte traurig und umfasste das schwarze Katzenkissen fester.
»Ich weiß, dass mein Vater diese Stelle nicht ablehnen würde«, sagte Lucy, »aber wir können es uns nicht leisten, noch länger herumzusitzen und darauf zu warten, dass sie sie ihm anbieten.«
»Vielleicht sollten wir Sophias Rat befolgen«, sagte Olivia und rieb sich die Augen. »Aber anstatt uns an das Auto deines Vaters zu ketten, ketten wir uns an die Eingangstür des Museums.«
Das brachte Lucy auf eine Idee. Sie drehte ihren Stuhl wieder zurück und ging auf die Internetseite des Museums.
»Sie öffnen samstags um zehn Uhr«, erklärte sie.
»Das habe ich nicht ernst gemeint«, sagte Olivia.
»Aber ich«, sagte Lucy. »Wir müssen gleich hingehen und sie dazu bringen, Dad die Stelle anzubieten. Heute.«
Olivia räkelte sich. »In diesem Fall holen wir uns besser Unterstützung.«
Lucy und Olivia warteten am Nachmittag in ihre eigenen warmen Kleider gekuschelt vor der eleganten schrägen Marmorfassade des Kunstmuseums auf Brendan. Lucy hatte auch Sophia und Camilla angerufen, aber die hatten beide schon etwas anderes vorgehabt. Lucy machte sich im Geiste eine Notiz, dass sie in den
nächsten paar Tagen unbedingt Zeit finden musste, um die gesamte Clique zusammenzutrommeln – es war vielleicht die letzte Gelegenheit. Sie fühlte sich wie ein Vampir in einem dieser alten Filme: Es blieben nur noch wenige kostbare Minuten bis zum Sonnenaufgang und dann würde sie zu Staub zerfallen.
Brendan kam in seinem schweren schwarzen Parka
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