Lucy's Song
frohe Töne. Dann kam sie ins Wohnzimmer gewankt, ließ sich auf den Boden fallen und kroch auf den Knien zu Mama. Sie legte ihren Kopf in Mamas Schoß. Wie sie es immer gern tat. Mama strich ihr übers Haar, das Gesicht, den Nacken. Lucy lachte, ließ ihr Glucksen hören und streckte die Hand zu Mamas Gesicht aus.
»Jetzt bin ich wirklich zu Hause«, sagte Mama. »Zu Hause bei meinem Mädchen. Jetzt ist Mama wieder da.«
Der Onkel hatte Kaffee gekocht. Die Tante kam mit dem Kuchen herein. Einem Apfelkuchen, den sie vormittags gebacken hatte. Ich holte eine Flasche Limonade aus dem Kühlschrank.
»Esst nicht so viel Kuchen«, sagte Tante. »Bald gibt es ja schon Mittagessen.«
»Aber zuerst Kuchen«, sagte ich. »Heute essen wir den Kuchen vor dem Essen.«
»Kuchen zum Feste, das ist das Allerbeste«, meinte Onkel.
Mama schaffte nur ein kleines Stückchen. Den Rest aß Lucy mit meiner Hilfe. Lucy isst gern Kuchen. Sie leckte sich die Lippen ab, sie wollte mehr.
»Nach dem Essen kriegst du mehr«, sagte Mama.
Lucy ließ Geräusche hören, die zeigten, dass sie enttäuscht war.
»Mein Leckermäulchen«, sagte Mama.
Nach dem Essen fuhren Onkel und Tante nach Hause. Etwas später sollte eine Krankenschwester für Mama kommen. Und jemand, der Lucy beim Ins-Bett-Gehen half, war für neun angekündigt.
»Brauchen wir denn eine Nachtwache?«, fragte ich Mama.
»Heute Nacht schon«, sagte sie. »Und vielleicht noch ein paar Nächte mehr. Ich weiß nicht, ob ich es schon schaffe, wenn Lucy nachts Hilfe braucht. Das müssen wir in ein paar Tagen sehen.«
»Ich kann doch helfen.«
»Ja, das weiß ich.«
Mama war müde. Sie saß auf dem Sofa und zog ihre Beine unter den Körper. Wir guckten Fernsehen. Es gab einen Wettbewerb, bei dem man für Sänger und Musiker abstimmen konnte.
»Für wen würdest du stimmen?«, fragte ich.
»Keine Ahnung, vielleicht für den mit der Geige. Oder die in dem gelben Kleid.«
»Und was kann man da gewinnen?«
»Geld«, erklärte Mama, »die können ein Stipendium für ihre Ausbildung gewinnen, damit sich ihr Traum, Musiker zu werden, erfüllen kann.«
»Glaubst du, die träumen alle davon?«
»Bestimmt, deshalb machen sie doch mit.«
»Was glaubst du, wann wir reisen können?«
»Vielleicht so in vier Wochen. Ich weiß es noch nicht.«
»Wir müssen ja vorher buchen.«
»Ich weiß.«
Ich erzählte ihr von dem Hotel, das ich im Internet herausgesucht hatte. Und von den Flügen.
»Am einfachsten bestellt man übers Internet«, sagte ich. »Aber da muss man ein Konto haben, um es zu bezahlen. Eine Visakarte oder so.«
»Du kannst doch den Onkel fragen, ob er dir dabei hilft. Schließlich arbeitet er in einer Bank, er weiß, wie das am besten geht.«
»Er hat das Geld auf ein eigenes Konto eingezahlt, auf ein Reisekonto.«
»Das war schlau«, sagte Mama.
Die Krankenschwester kam. Sie ging mit Mama ins Badezimmer. Mama brauchte Hilfe, um die Tüte auszuwechseln, die sie auf dem Rücken hatte. In der Tüte wurde alles gesammelt, was ins Klo sollte. Als sie damit fertig waren, kamen beide ins Wohnzimmer. Mama setzte sich.
Die Krankenschwester legte einige Papiere auf den Tisch. »Das sind Sachen, die morgen aus der Apotheke geholt werden müssen«, sagte sie. »Verbandszeug, Pflaster und Binden. Und ein paar Salben. Können Sie das regeln?«
»Meine Schwester kann das sicher für mich machen«, sagte Mama.
»Das kann ich auch«, sagte ich.
»Du brauchst die Sachen nur abzuholen«, erklärte die Krankenschwester. »Du brauchst nichts zu bezahlen. Das habe ich alles schon geregelt.«
Sie gab Mama Medikamente. Dann fragte sie, ob wir noch mehr Hilfe bräuchten. Nein, das brauchten wir nicht. Kurz bevor sie ging, kam die Frau, die Lucy bei der Abendtoilette helfen sollte. Die beiden kannten einander. Mama und ich, wir saßen im Wohnzimmer und hörten, wie die beiden sich auf unserem Flur unterhielten.
Während Mama einen langweiligen Film anguckte, saß ich mit dem Laptop auf dem Schoß bei ihr. Sie meinte, ich könnte gernins Bett gehen, wenn ich wollte. Sie wollte noch warten, bis die Nachtwache kam. Als ich am nächsten Morgen aufwachte, saß Mama in der Küche. Sie hatte den Tisch gedeckt und mir etwas zu essen hingestellt.
»Hast du gut geschlafen?«, fragte sie.
Ich nickte.
»Und du?«
Sie lächelte ein wenig.
»Auf jeden Fall habe ich zu Hause in meinem eigenen Bett geschlafen, das war herrlich.«
»Du«, überlegte ich, während wir aßen, »hast du von zu
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