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Lucy's Song

Lucy's Song

Titel: Lucy's Song Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bjorn Ingvaldsen
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habe davon nicht so viel Ahnung. Aber ich glaube, sie beten auch dafür, dass es den Toten gut geht.«
    »Den Toten? Die sind doch tot. Dann kann es denen doch nicht gut gehen!«
    »Einige glauben das schon.«
    Es gab einen Kasten, in den man Geld werfen konnte, fünfzig Cent sollten es sein. Dann konnte man eine Kerze nehmen und sie anzünden. Ich suchte in meinen Taschen, fand aber nur zehn Cent. Die versteckte ich in der Hand und warf sie in den Kasten, bevor ich eine Kerze nahm. Niemand hatte es bemerkt. Dann zündete ich die Kerze an und steckte sie auf einen freien Kerzenhalter. Ich hoffte, das funktionierte, selbst wenn ich nicht genug für die Kerze bezahlt hatte. Aber beten, das tat ich nicht.
    Anschließend gingen wir zum Louvre, aber dort war an dem Tag geschlossen. Also machten wir uns auf den Weg zurück ins Hotel.

A
n diesem Abend saßen Mama und die Tante in einem unserer Hotelzimmer und unterhielten sich. Ich ging ins andere Zimmer, um Fernsehen zu gucken. Lucy schlief schon.
    »Mach den Fernseher nicht so laut, damit du sie nicht aufweckst«, sagte Mama.
    »Lucy aufwecken«, entgegnete ich. »Wenn sie schläft, dann braucht es mehr als einen Fernseher, um sie zu wecken.«
    »Sie schläft den Schlaf der Unschuldigen«, meinte die Tante.
    Ich zappte eine Weile zwischen den Kanälen hin und her, verstand aber nichts. Es endete damit, dass ich mir ein Radrennen anguckte. Die Tagesetappe der Tour de France. Jedes Mal, wenn ein steiler Berg kam, war es besonders lustig anzusehen. Tausende von Zuschauern standen am Rand oder liefen mit, um die Radfahrer anzufeuern. Manchmal liefen sie fast gegen die Autos, die den Fahrern folgten. Ein paarmal konnte ich sogar sehen, dass Leute norwegische Fähnchen schwenkten.
    Lucy machte im Schlaf Geräusche. Sie schlug mit ihrer gekrümmten Hand nach etwas. Sicher nach etwas, wovon sie träumte. Der Schlaf der Unschuldigen, so hatte die Tante es vorhin genannt. Ist man unschuldig, nur weil man nicht sprechen kann? Und ist Lucy unschuldiger als ich? Oder als Mama? Warum ist Mamakrank? Sie hat doch keine Schuld an irgendwas. Und wenn ich etwas falsch mache, verdiene ich es dann, dafür krank zu werden? Krebs zu bekommen? Nein, so laufen die Dinge nicht. Vielleicht können die, die nicht sprechen können, auch nicht denken. Vielleicht kann Lucy deshalb so schnell einschlafen. Sie muss über nichts nachdenken. Nichts bereuen, nichts planen, nichts erklären. Sie ist drei, fast vier Jahre älter als ich, und trotzdem ist sie wie ein Baby. Sie braucht Windeln, muss gefüttert werden, kann nicht sprechen und braucht für alles Hilfe. Sie kann fast nicht gehen. Aber sie ist gesund.
    Ich dachte an die Kerze, die ich in der Kirche angezündet hatte. Ich hatte für nichts gebetet. Aber wenn ich hätte beten wollen, wofür hätte ich beten sollen? Dass Mama gesund wurde? Dass Mama überlebte? Wäre es falsch von mir zu beten, dass Lucy statt Mama sterben sollte? Ja, natürlich. So darf man nicht denken. Und trotzdem, solche Gedanken kommen. Die Dinge verändern sich nicht, wenn man an etwas denkt. Keiner stirbt, weil jemand an den Tod denkt. Aber es wird auch niemand gesund, weil jemand an das Leben denkt. An den Lebensmut. Den Lebenswillen.
    Die Fernsehkommentatoren schrien immer lauter, je näher die Radfahrer dem Ziel kamen. Plötzlich war es vorbei. Mindestens zehn Rennfahrer waren gleichzeitig ins Ziel gekommen. Ich hatte nicht sehen können, wer gewonnen hatte. Aber dann zeigten sie das Zielfoto. Der Reifen des Siegers war vielleicht drei Zentimeter vor dem des Zweiten. In der Schule hätten wir gesagt, dass es unentschieden war. Hier waren sie mehr als zweihundert Kilometer gefahren. Es muss ziemlich frustrierend sein, dann Nummer zwei zu werden.
    Nach dem Radrennen zeigten sie einen Spätfilm mit viel Schießerei und nackten Leuten. Als ich die Tante auf dem Flur hörte, schaltete ich schnell den Fernseher aus, sie mochte es nicht, wenn ich mir solche Filme anguckte. Ich sagte ihr Gute Nacht und ging zu Mama ins Zimmer. Die war im Bad und machte sich fertig, um ins Bett zu gehen. Also musste ich auch ins Bett gehen.

N
achts machte Mama komische Geräusche beim Atmen. Irgendwie so ein Piepsen. Ich wachte mehrere Male davon auf. Einmal wachte ich auch von einer Kirchenglocke auf, eine, die jede Stunde schlug. Und dann vom Müllwagen unten auf der Straße. Ich schlief wohl nicht den Schlaf der Unschuldigen. Kurz vor sechs Uhr stand ich auf, zog mich an und ging hinaus.
    In

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