Luderplatz: Roman (German Edition)
dieser Reihenfolge. Und darauf, dass beides sich optimal entwickelte, war er stolzer als auf seine graublauen Augen mit den Hugh-Grant-Lachfalten drumherum.
»Er sieht ein bisschen aus wie Hugh Grant«, sagte Viktoria und hielt Mario den Computerausdruck unter die Nase.
»Wer?«
»Na, wer wohl? Der Metzger, unser Rechtsmediziner.« Sie standen im Stau. Doch sie lagen noch gut in der Zeit, und laut Verkehrsfunk hätte das elende Stop-and-go bald ein Ende.
»Mmmh.« Mario machte nicht den Eindruck, als würde er reden wollen.
»Mario!« Viktorias Stimme wurde lauter. »So geht das nicht. Wir müssen dieses Mal echt was abliefern.«
»Schon klar.« Mario klang immer noch lahm.
»Wirklich? Seit dieser Sache mit deinem blonden Betthupferl …«
Mario verzog das Gesicht zu einer Grimasse. »Sag das nicht so abfällig …«
»… seitdem stehst du neben dir.«
»Ich mache mir einfach Sorgen. Dieses Blut und dass ich mich kaum an etwas erinnern kann. Und dass ihr Handy aus ist. Mensch, vielleicht ist da … Vielleicht habe ich …«
»Mario – ich frage dich jetzt zum letzten Mal. Muss ich etwas wissen? Hast du Scheiße gebaut?«
Der Stau löste sich auf. Mario gab Gas.
»Und ich sage es dir zum letzten Mal. Ich weiß es nicht. Aber …«
»Aber?« Viktoria wurde noch lauter. »Aber, was?«
»Meine Hand.«
»Was ist mit deiner Hand?«
»Die tat mir weh.«
»Wo? Wie?«
»Na hier!« Mario zeigte auf die Knöchel seiner rechten Hand. »Eigentlich dachte ich, ich habe unglücklich darauf gelegen. Doch es fühlte sich an wie nach einer Prügelei.«
»Wieso weißt du, wie sich das nach einer Prügelei anfühlt?« Viktoria klang genervt.
»Mensch, Victory. Jeder hat sich doch schon mal geprügelt.«
»Ich nicht!« Viktoria starrte Mario an. »Du bist also ein Schläger?« Ihre Stimme klang jetzt schrill.
»O Mann. War ja klar, dass du jetzt so kommst.« Jetzt wurde Mario sauer. »Ich bin kein Schläger, nur weil ich mal jemandem auf die Fresse gehauen habe.«
»Ich fass es nicht.« Viktoria atmete tief durch. »Wem hast du denn auf die Fresse gehauen?«
»Kennst du nicht.«
Viktoria schüttelte den Kopf. »Und warum hast du zugeschlagen?«
»Weiß ich nicht mehr. Da gab ein Wort das andere, der Typ war ein Arsch, der hat total genervt …«
»Nana Oppenkamp hat auch genervt.«
Mario schwieg. Er schmollte.
»Du hast es mir selber gesagt. Du hast dich daran erinnert, dass sie genervt hat.«
Mario fuhr sich durch seine halblangen Haare. »Aber ich schlag doch keine Frauen.« Es klang mehr wie eine Frage als eine Feststellung.
»Bisher dachte ich auch, du schlägst keine Männer.«
Danach war bis zu ihrer Ankunft in Münster nur noch die Frauenstimme vom Navigationsgerät zu vernehmen.
Viktoria schaute auf ihre Uhr. Vor dem Termin mit Frank Metzger hatten sie noch Zeit. Zeit genug, um Hansaring in das Navi zu tippen und dorthin zu fahren, wo Nana Oppenkamp wohnte. Mario hielt kurz und ließ Viktoria aussteigen. Sie sollte lieber erst mal alleine klingeln. Außerdem war an der viel befahrenen Straße kein Parkplatz in Sicht.
Viktoria schaute sich um. Sie registrierte ein paar Details, zählte Schritte, schätzte ein. Reporterroutine, die ihr half, später ihren Text lebendiger zu schreiben. Bilder im Kopf sollten die Leser haben. Und dafür sammelte sie sie – die Bilder. Hätte sie einen Notizblock gehabt, hätte sie geschrieben: Rummelig, viele junge Leute, ein paar Kneipen, Kioske, Supermarkt, laute Straße, Häuser aus der Gründerzeit, nicht besonders protzig, ein paar neue dazwischen, Fahrradfahrer, viele Fahrradfahrer, rüpelige Fahrradfahrer. Doch sie war ja nicht hier, um eine Reportage zu schreiben. Sie war hier, um herauszufinden, was mit Nana Oppenkamp passiert war. Die Nummer 28 war das auffälligste Haus in der Straße. Die Fassade war mit rot-weißen Rauten bemalt, neben dem Eingang zu einer Gaststätte lag der Hauseingang mit zwölf Klingelschildern. Keines glich dem anderen. Typisch für Häuser, in denen die Leute häufig umzogen. Neben der dritten Klingel von oben standen in grüner Schrift drei Namen. Bussmann, Adams, Oppenkamp. Viktoria drückte den Klingelknopf, nur ein paar Sekunden später surrte der Öffner.
Als sie die Tür aufdrückte, stiegen ihr Küchendünste in die Nase. In der Kneipe von nebenan liebte man offensichtlich Gerichte mit Zwiebeln. Sie atmete durch den Mund. Die Treppe war mit Linoleum belegt, die Wände mit einem schmierig glänzenden Film überzogen. Es
Weitere Kostenlose Bücher