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Luderplatz: Roman (German Edition)

Luderplatz: Roman (German Edition)

Titel: Luderplatz: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Jäger
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trauern?«
    Mario nickte. »Auf jeden Fall war sie nicht ernsthaft verletzt. Zumindest nicht so, dass ihre Mitbewohnerin das für erwähnenswert hielt. Ich bin also raus aus der Nummer.«
    Viktoria nickte abwesend. Sie hatte ein komisches Gefühl bei der Sache. Das Blut war in Marios Wohnung gewesen. Das stand fest. War er wirklich raus aus der Nummer?
    Bier bei Harry? 20 Uhr? Viktoria. Kai Westmark las die SMS dreimal, bevor er begriff, dass sie tatsächlich da war. Viktoria Latell wollte mit ihm ein Bier trinken gehen, im Gasthaus König. Sie war von Berlin nach Westbevern fast fünfhundert Kilometer weit gereist, um sich mit ihm zu treffen? Die Arzthelferin öffnete die Tür, und die alte Frau Pottemeier kam langsam mit ihrem Rollator herein.
    »Tach, Doktor!«, sagte sie.
    Kai Westmark erwiderte ihren Gruß, stand auf und half ihr auf den Stuhl auf der anderen Seite seines Schreibtischs.
    Sie schnaufte und murmelte: »Kehr, kehr, kehr. Ösig Wetter van dage.«
    Er nickte, ließ sich auf seinem Drehstuhl nieder und erwiderte: »Stimmt. Richtig ungemütlich draußen.«
    Frau Pottemeier fummelte an ihrem Hörgerät herum, sie hatte ihn nicht verstanden.
    Er zeigte nach draußen und sagte noch einmal lauter: »Richtig ungemütlich draußen.«
    Sie nickte. »Am besten würd man den ganzen Tach zu Hause bleiben«, antwortete sie laut.
    Er nickte ebenfalls, legte sein Handy in die Schublade, schaute noch einmal auf das Display mit dem blinkenden Briefsymbol und dachte: Genau, sie hätte zu Hause bleiben sollen.
    Zwei Tage für den Rechtsmediziner, inklusive Anreise. Das war nicht viel. Aber Viktoria und Mario waren nichts anderes gewohnt. Beim Express musste immer alles schnell, zügig, sofort, am besten gestern schon geliefert werden. Waren Text und Fotos dann erst einmal gedruckt, interessierte sich niemand mehr dafür, unter welchen Umständen der Artikel entstanden war. Geschwindigkeitsüberschreitungen, Magenschmerzen, Überstunden, Überstunden, Überstunden – alles war egal. Und irgendwie war es das ja auch. Hauptsache stark sein, tough sein, übermüdet sein – und am Ende mit den Kollegen betrunken über den Chef motzen und sich zuprosten, um noch mehr zu motzen.
    Immerhin hatten sie ja noch das Wochenende mit eingeplant. Sie würden wieder in Westbevern wohnen, diesem Dorf, das eigentlich nach nichts aussah und doch so vieles war. Jetzt jedoch steuerte Mario erst einmal durch Münster, Richtung Rechtsmedizin.
    Sie haben Ihr Ziel erreicht. Die Frauenstimme des Navis war sich ihrer Sache sicher. Mario und Viktoria ganz und gar nicht. Sie standen auf einem Parkplatz neben einem Universitätsgebäude aus den Achtzigerjahren. Sie konnten sich umschauen so viel sie auch wollten, ein Schild mit der Aufschrift »Institut für Rechtsmedizin« entdeckten sie nicht. In etwa achthundert Meter Entfernung ragten drei seltsam runde Türme in die Höhe. Nieselregen benetzte Viktorias Gesicht.
    »Shit, wo sind wir hier?«
    Mario zuckte mit den Schultern. Er war immer noch gut gelaunt, zeigte in irgendeine Richtung und übernahm die Führung. »Komm, da sieht es gut aus.«
    Viktoria fand zwar nicht, dass es dort gut aussah, aber sie folgte ihm. Im Gehen zog sie ihr Handy aus der Hosentasche. Keine SMS von Kai. Noch bevor sie sich darüber wundern konnte, erschreckte sie ein lautes Quietschen. Ein Fahrradfahrer war in die Bremsen getreten, dann mit einem Schlenker um sie herumgefahren und meckerte.
    »Pass doch auf!«
    Viktoria schaute ihm nach und bemerkte beinahe die nächste Radlerin nicht, die um die Kurve kam.
    »Victory, aufwachen!« Mario rief ihr von der anderen Straßenseite zu. Es dauerte noch drei Fahrradfahrer, bis sie endlich zu ihm gehen konnte.
    »Haben die hier keine Autos?«, lästerte sie in Marios Richtung. »Die kann man wenigstens kommen sehen.«
    Sie lag da und hörte, wie er die Spuren beseitigte. Die Schritte auf dem Kiesweg, dann das Rascheln. Das Schlagen der Kofferraumklappe. Sein Husten. Sein widerliches Husten. Dann die Autotür. Schließlich startete er den Motor und fuhr weg. Fuhr einfach weg, während sie starb.
    Uhrzeit: 15.12 Uhr. Dr. Frank Metzger. Besucher: Viktoria Latell. Daneben die Unterschrift.
    Gewissenhaft füllte Viktoria die Liste aus, die vor dem Glaskasten des Empfangs lag, und der Mann dahinter tippte eine Nummer ins Telefon. Die beiden Reporter sollten warten, Dr. Metzger würde gleich kommen, nuschelte er.
    Mario drehte sich um. »Langweilig«, war sein einziger Kommentar. Die

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