Luderplatz: Roman (German Edition)
rechtes Auge ganz schlimm zugeschwollen sei, erzählte Klatsch-Kiara stolz. Wie aufs Stichwort sprang der Fotoredakteur in diesem Moment auf und zeigte eine Aufnahme von Rita mit dem Veilchen in die Runde.
Viktoria erkannte es sofort. Faust aufs Auge, dachte sie. Sie hatte als Polizeireporterin schon so manch ein Opfer einer Schlägerei gesehen und wusste, was sie vor sich hatte. Rita war nicht gefallen, sie war verprügelt worden. Und dass in den Ausführungen ihrer erkälteten Kollegin nicht ein einziges Mal Rita, sondern immer nur Rudolfo zitiert wurde, schürte den Verdacht, dass es sich bei dem unglücklichen Sturz tatsächlich um einen handfesten Rosenkrieg der Roses handelte.
Während Viktoria das alles dachte, hörte sie folgenden Satz aus dem hübschen Mund ihrer Kollegin: »Rudolfo Rose hat seinen Tiger von einem befreundeten Rechtsmediziner aus Münster untersuchen lassen. Die Ergebnisse stehen noch aus.«
Viktoria war hellwach. Sie hakte nach. »Hast du den Namen?«
Kiara schaute arrogant in ihre Richtung. »Tiger, sagte ich doch schon.«
»Nein, nicht vom Kater. Vom Rechtsmediziner?«
Kiara zuckte zusammen. Hektisch wühlte sie in ihren Notizen. Viktoria gönnte ihr dieses Gefühl der Unsicherheit, denn so lief das Spiel nun einmal. In der Konferenz wurde gerne nachgefragt und so der eine oder andere Kollege hin und wieder bloßgestellt. Und gerade Kiara war diesbezüglich kein unbeschriebenes Blatt. Doch diesmal fand sie den Namen recht schnell – und las ihn triumphierend vor.
»Professor Metzger!«
Die Antwort war allgemeines Gejohle. Was für ein Name für einen Rechtsmediziner. Metzger!
Viktoria nickte Kiara kurz zu und notierte den Na men. Eine Stunde später wusste sie, dass Doktor Metzger mit Vornamen Frank hieß, siebenundvierzig Jahre alt war, zwei Kinder hatte – und ein absoluter Glücksfall für Viktoria war. Er war ein Cousin von Rudolfo Rose, er war fotogen, sofern man die Archivbilder beurteilen konnte, und er war ihr Kronzeuge in einem Rosenkrieg, den sie aufdecken würde. In Münster! In Nana Oppenkamps Heimatstadt. Die in der Nähe von Westbevern lag. Quasi gleich um die Ecke von Kai Westmark, der so gut roch.
Als er den Raum betrat, wurde sie schwach. Isa weinte. Endlich. Wiliam war da, er würde sie trösten. Er würde wissen, was zu sagen, was zu tun war. Er würde ihre Angst mildern. Er würde ihr zur Seite stehen. Das war es, was er immer getan hatte. Und das war es, weshalb sie bei ihm war. Verliebt war sie nie in ihn. Bei ihm war es gleich die Liebe gewesen. Ohne Schmetterlinge im Bauch, aber mit einer Sicherheit, die sie selbst überrascht hatte.
Er stand in der Tür. Blonde Haare, Grübchen um den Mund, helle Augenbrauen über den blauen Augen, in der Hand ein großes Geschenk in knallrotem Geschenkpapier. Hoffentlich nichts fürs Baby, dachte Isa, und Tränen rannen über ihr Gesicht. Er lächelte, ging langsam auf sie zu und nahm sie in den Arm. Sofort ging es ihr besser.
»Hej, mejn Schatje. What ’ s up, Isa, warum sehe ich Tränen?« Er sprach deutsch mit ihr, niederländisch und auch ein bisschen englisch. Sie hörte gerne sein Kauderwelsch mit dem holländischen Akzent.
Isa erzählte ihm von der Ultraschalluntersuchung. Davon, dass man die linke Hand ihres Kindes nicht sehen könne und dass niemand ihr sagen könne, was das zu bedeuten habe.
Er streichelte ihren Rücken. » Zoetje , Süße, hat das kleine Herz denn geschlagen?«, wollte er wissen.
Sie nickte an seiner Brust.
»Gut«, sagte er. »Sehr gut.« Dann fragte er: »Habt ihr die rechte Hand gesehen?«
Sie nickte wieder und schniefte.
»Wir werden Glück haben. Die meisten Menschen sind Rechtshänder«, sagte er und strich ihr über den Hinterkopf.
Die meisten schon, dachte sie. Doch er nicht. Er war Linkshänder. Sie würde ihren rechten und ihren linken Arm geben, wenn sie ihren Fehler von einst wiedergutmachen und wenn sie damit die Gesundheit ihres Babys erkaufen könnte. Doch mit Gott kann man nicht handeln. Sie musste ihre Rechnung bezahlen. Ihr Baby musste ihre Rechnung bezahlen. Das wusste sie jetzt.
»Victory, das war ganz, ganz großes Kino!« Mario klang richtig begeistert. »Wie du dem Alten vorgespielt hast, dass du auf keinen Fall nach Münster willst. Er hat ’ s dir voll geglaubt.«
»Klar.« Viktoria grinste. »Ich kenne ihn doch.«
»Und Klatsch-Kiara, der sind sämtliche Gesichtszüge entglitten, als du vorgeschlagen hast, dass sie zum Rechtsmediziner fahren soll.«
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