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Luderplatz: Roman (German Edition)

Luderplatz: Roman (German Edition)

Titel: Luderplatz: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Jäger
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sich im Küchenfenster des gegenüberliegenden Hauses, er blinzelte, schloss die Augen und nahm einen kräftigen Zug.
    »Kai?«
    Er konnte es nicht fassen. Da war sie: Viktoria!
    Er ließ sich Zeit. Langsam zog er sich den Kittel aus, hängte ihn in den Schrank. Er wusch sich die Hände, schäumte, wusch und trocknete sie sehr gründlich ab. Er legte den Kugelschreiber in die Schreibtischschublade, stapelte die Krankenblätter exakt übereinander auf di e Ablage seiner Helferinnen. Dann nahm er sie wieder heraus und sortierte sie doch selbst in das Register ein. Dann überprüfte er jedes Behandlungszimmer. War wirklich überall das Licht aus, waren die Fenster geschlossen, lief noch ein Computer? Er nahm seine schwarze ausgewaschene Jacke vom Haken und ging zur Tür. Er sah ihre Silhouette durch die Milchglasscheiben, sah, dass sie sich mit der rechten Hand durch die langen Haare fuhr. War sie nervös? Oder einfach nur eitel? Er öffnete die Tür.
    »Hey«, sagte sie zögernd.
    »Was gibt’s?«, erwiderte er unfreundlich und drehte sich um, um die Tür abzuschließen.
    »Ich, ähm. Hast du fünf Minuten?«
    Er drehte den Schlüssel und sprach mit der Tür. »Eigentlich nicht.«
    Sie schwieg, blieb aber stehen und wartete, bis er sich umdrehte. Ihr war klar gewesen, dass es nicht leicht werden würde. Dass er es ihr nicht leicht machen würde. »Du willst wahrscheinlich nicht mit mir reden, das kann ich verstehen«, versuchte sie es weiter.
    »Erfasst.« Er ging auf sein Fahrrad zu, drehte am Zahlenschloss, fluchte, weil das Schloss klemmte, und bekam es schließlich doch noch auf. Er wickelte es um die Sattelstange und stieg aufs Rad.
    »Kai – nun warte doch!« Viktorias Stimme klang bettelnd.
    »Worauf?« Kai sah sie nicht an. Er starrte auf seine Hände, auf den Lenker – doch er blieb stehen. »Worauf, meinst du, soll ich warten?« Er spuckte die Worte beinahe aus. »Dass die große Viktoria Latell mit mir redet? Dass sie sich herablässt, mir zu erklären, was ich ihr getan habe?«
    »Du hast mir nichts getan.« Viktoria hielt Abstand, widerstand dem Reflex näher zu kommen, ihm eine Hand auf die Schulter zu legen.
    Kai setzte seinen rechten Fuß auf das Pedal.
    Viktoria kam näher. »Es …« Sie spürte den Kloß in ihrem Hals. Warum fiel es ihr so schwer? »Kai, es tut mir leid.«
    Er lachte verächtlich. Doch der linke Fuß blieb auf dem Boden. »Was? Was tut dir leid?«
    »Es tut mir leid, dass ich dich für einen Vergewaltiger und Mörder gehalten habe.«
    Kai wollte etwas erwidern. Wollte sie anschreien, ihr davon erzählen, wie es war, von der Polizei verhört zu werden, unter falschem Verdacht zu stehen, sich verraten zu fühlen. Verraten und verkauft von einer sensationshungrigen Reporterin aus Berlin. Die es nicht nötig gehabt hatte, ihn einfach zu fragen, ob er Nana etwas angetan hat. Die sich nicht verabschiedet hatte, die einfach verschwunden war aus seinem Leben, aus Westbevern. Er schaute sie an.
    Sie hielt dem Blick stand, obwohl sie die Augen schließen wollte, da sein Gesichtsausdruck sie bis ins Mark erschütterte. Er wird mir nicht verzeihen, dachte Viktoria. Niemals.
    Sein zweiter Fuß hob sich vom Asphalt, er trat mit voller Kraft in die Pedale. Die Kette sprang ab.
    »Scheiße!« Kai sprang vom Fahrrad. Die Knöchel seiner Hände waren ganz weiß, so fest hielt er den Lenker. Er wollte das Rad treten, umwerfen – doch er tat es nicht. Hinter dem Küchenfenster, in dem die Abendsonne sich spiegelte, hatte er einen Schatten wahrgenommen.
    »Komm«, sagte er zu Viktoria, die zwei Meter hinter ihm stand. »Muss ja nicht jeder mitkriegen.«
    Viktoria atmete auf, als sie die ersten Schritte gingen. Nebeneinander. Das Fahrrad rollte zwischen ihnen, seine rechte Hand lag auf dem Sattel. Wie gerne hätte sie ihre Linke darauf gelegt. Sie steckte sie in die Tasche ihrer hellblauen Lederjacke.
    Er fing an: »Erklär es mir. Hast du wirklich geglaubt, ich hätte Nana Oppenkamp umgebracht?«
    »Nein.« Viktoria zögerte. »Vielleicht. Ja.«
    Kai starrte geradeaus. »Wie kommt man auf so eine hirnrissige Idee? Ich meine, du hast – wir haben – wir hatten zwei wirklich schöne Nächte, und du glaubst danach, ich bin ein Mörder. Das ist doch krank.«
    »Vielleicht. Vielleicht bin ich krank und dämlich. Aber es gab nun mal Hinweise …«
    »Hinweise? Aha. Hinweise, von irgendeinem Vollidioten. Und du hast alles sofort geglaubt.«
    »Du hast aufgelegt, als ich dich danach gefragt habe.«
    Er

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