Luderplatz: Roman (German Edition)
gute Presse – es geht mir um die Sache …«, war unter Journalisten schon zur Kultfloskel geworden. Ihre Kunden waren kleine Firmen, die sich keine eigene PR -Abteilung leisten konnten, vermeintliche Künstler, Schlagersternchen oder Schauspieler, die nach einem Gastrollenauftritt in irgendeiner Soap dachten, sie seien zu Höherem berufen. Gerda Hinzmann versprach ihnen, sie in die Medien zu bringen, ihnen ein positives Image aufzubauen, sie berühmter, bekannter und reicher zu machen. Und weil sie ihre Versprechen gerne erfüllte, nervte sie jeden, der in den Medien arbeitete, mit ihrem Dauergrinsen und ihren »einzigartigen Künstlern, innovativen Unternehmen, begabten Schauspielern und grandiosen Sängern«. Jeder Redakteur ging ihr aus dem Weg. Also kostete es Viktoria einiges an Überwindung, an ihre Tür zu klopfen. Auch Mario verzog das Gesicht, als hätte er gerade in eine Zitrone gebissen.
Die Tür ließ sich öffnen. Die Hinzmann arbeitete also noch. Als sie Viktoria erblickte, sprang sie auf und eilte auf sie zu. Bussi rechts, Bussi links. »Heiiiiiii! Na, das ist ja eine schöne Überraschung am Abend.« Viktoria antwortete mit einem gequälten, aber dennoch strahlenden Victory-Lächeln. Noch bevor sie fragen konnte, ob Gerda eine blonde junge Frau namens Nana kannte, griff diese nach ihrem Mantel, warf ihn über ihre rechte Armbeuge und hakte sich bei Viktoria ein. »Kommt, ihr beiden Hübschen. Ich wollte gerade ins Midi, sonst trockne ich aus – da könnt ihr mich alles fragen , was ihr wollt.«
Viktoria hätte sich am liebsten losgerissen. Doch eine Wodka-Lemon-Länge in der Lounge-Bar im Herzen des Verlagsglaskastens würde sie schon aushalten. Mario folgte den beiden Damen. Wenn er es nicht besser wüsste, würde er glauben, die beiden Frauen seien Freundinnen, dachte er. Er hatte sich noch nicht entschieden, ob er Viktoria dafür bewundern sollte, dass sie sich so gut verstellen konnte – oder verachten. Heute war er ihr dankbar. Sie tat es, um herauszufinden, wie es Nana ging. Sie tat es für sein Seelenheil.
Isa Joss wachte auf und wunderte sich. Sie hätte nicht gedacht, dass sie überhaupt einschlafen würde. Doch es war offensichtlich. Die Krankenschwester, die das Frühstück brachte, hatte sie sanft an der Schulter berührt, und sie war aufgeschreckt.
»Ganz ruhig, Frau Joss«, sagte die Schwester. »Sie haben geträumt.«
Isa nickte und spürte, dass ihre Zimmernachbarin sie mitleidig anschaute. Sie hatte geträumt. Von früher. Wieder einmal. Und es war so verdammt echt gewesen, so r eal. Sie starrte auf das Graubrot vor ihr. Eine Scheibe Käse lag darauf, ein gelbes Quadrat, das aussah, als sei es aus Gummi. Die Krankenschwester schüttelte noch das Bett auf, dann verschwand sie durch die Tür. Ohne den Blick vom Brot zu nehmen, sagte Isa: »Mein Baby hat vielleicht keine linke Hand. Es wird bestraft, weil ich ein Kind auf dem Gewissen habe. Es war Linkshänder.«
Die Portugiesin lächelte Isa an und biss in ihr Käsebrot. Auf Portugiesisch sagte sie: »Probieren Sie ruhig, schmeckt besser, als es aussieht. Und vielleicht geht es Ihnen besser, wenn Sie etwas im Magen haben.«
Isa starrte an die Wand.
Gerda Hinzmann blieb sich treu. Sie nervte. Viktoria hatte schon ihren halben Wodka-Lemon getrunken, ohne auch nur eine einzige Frage stellen zu können. Stattdessen musste sie die Schwärmereien über Gerdas neueste Klienten über sich ergehen lassen. Jeder Versuch, etwas zu sagen, wurde von der PR -Frau ignoriert und mit noch mehr nichtigen Informationen im Keim erstickt. Viktoria konzentrierte sich auf ihr Getränk. Mario nippte lustlos an seinem Bier. Sie saßen auf riesigen rechtwinklig angeordneten Ledersofas, die es einem unmöglich machten, sich anzulehnen. Würde man es tun, sähe man aus wie ein dreijähriges Kind auf einer Erwachsenencouch. Die Füße würden in der Luft schweben, mit den Händen käme man nicht mehr an die Nussschale, die auf den stylishen Milchglastischchen vor ihnen standen.
Absurd, ging es Viktoria durch den Kopf. Als sie nichts mehr schmeckte, weil der Wodka schon leer getrunken war und nur noch das geschmolzene Wasser der Ex-Eiswürfel durch ihren Strohhalm floss, riss ihr Geduldsfaden. »Gerda«, sagte sie und fasste der PR -Dame dabei scheinbar freundschaftlich an die Schulter. »Wir müssen jetzt leider gehen – sorry. Auftrag.«
Gerda nickte wissend. Klar, ein Auftrag, das ginge vor, das verstünde sie ja. »Aber, Viktoria, denk noch mal
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