Ludlum Robert - Covert 01
solltest dich nicht in der Hotelhalle aufhalten, alte Frau. Beim nächsten Mal nimmst du den Personaleingang, wie es sich für dich gehört!«
Die Frau murmelte Entschuldigungen vor sich hin und ging dann mit gesenktem Kopf an dem promovierten Pagen vorbei, wobei sie heimlich ein zusammengefaltetes Blatt Papier in die Tasche seiner abgewetzten Livree steckte.
Der Page ließ sich nichts anmerken. »Was ist mit der Elektrizität?«, fragte er stattdessen den eingebildeten Portier. »Wann wird morgen der Strom abgestellt?« Unbewusst legte er eine Hand auf seine Tasche.
Während die Frau durch die Tür verschwand, hörte sie die Stimmen der beiden Männer leiser werden. Innerlich seufzte sie erleichtert auf. Ihren ersten Auftrag hatte sie erfolgreich erledigt, aber die Gefahr war noch nicht vorbei. Sie hatte eine, weitere wichtige Aufgabe.
28
19 Uhr 44 Bagdad
Ein scharfer Wind pfiff durch das nächtliche Bagdad und vertrieb die Menschen, die in der Scheich-Omar-Straße einkauften. In der frischen Nachtluft hing der würzige Duft von Weihrauch und Ingwer. Der Himmel war schwarz und die Temperatur fiel. Die gebückt gehende alte Frau in dem schwarzen abaya und mit dem ihr Gesicht verbergenden pushi, die im König-Sardon-Hotel die Nachricht übergeben hatte, schlängelte sich zwischen den Passanten und den Schuppen aus Sperrholz hindurch, in denen gebrauchte Ersatzteile verkauft wurden und das irakische Improvisationstalent fürs Reparieren blühte. Mittlerweile arbeiteten viele einst gut situierte Angehörige der Mittelklasse in diesen bescheidenen Läden, wo man von Kräutern über warme Mahlzeiten bis hin zu gebrauchten Wasserleitungen alles kaufen konnte.
Während die Frau sich ihrem Ziel näherte, erstarrte ihr Blick plötzlich und ihr Herz pochte wie wild. Sie wollte ihren Augen nicht trauen.
Weil die Menschenmenge sich zum großen Teil verlaufen hatte, fiel der große, schlanke und muskulöse Mann, der hier der einzige Westler war, stärker als unter gewöhnlichen Umständen auf. Er hatte die gleichen dunkelblauen Augen, das rabenschwarze Haar und den kühlen, harten Gesichtsausdruck, an den sie sich so schmerzhaft und zornig erinnerte. Obwohl der Mann eine Armbinde der Vereinten Nationen, eine lässige Windjacke und eine braune Hose trug, war sie sicher, dass er nicht für die Organisation der Völkergemeinschaft arbeitete.
Wenn er nur irgendein Mann europäischer Abstammung gewesen wäre, was im heutigen Irak ja schon ein seltener Anblick war, hätte sie ihn heimlich betrachtet und zu beurteilen versucht. Aber dieser angebliche Mitarbeiter der Vereinten Nationen war nicht irgendein Mann. Für einen kurzen Augenblick stand sie wie gelähmt vor der Werkstatt, die sie dann schnell betrat. Selbst der erfahrenste Beobachter hätte allenfalls ein sehr kurzes Zögern bemerkt. Dennoch war sie tief geschockt.
Was hatte er in Bagdad zu suchen? Er war der Letzte, den sie hier zu sehen erwartet oder gewünscht hätte: Lieutenant Colonel Dr. Jonathan Smith.
Angespannt beobachtete Jon die Schuppen aus Sperrholz und die kleinen Reparaturwerkstätten. Den ganzen Tag über hatte er in Arztpraxen und den Lagerräumen von Krankenhäusern mit nervösen Medizinern, Krankenschwestern und Militärärzten aus dem Golfkrieg gesprochen. Viele hatten bestätigt, dass es im letzten Jahr sechs Fälle von akutem Lungenversagen mit den Symptomen der tödlichen Infektionskrankheit gegeben hatte, die Jon untersuchte. Aber niemand hatte ihm etwas über die drei Überlebenden erzählen können.
Während er weiterschlenderte, versuchte er das Gefühl loszuwerden, dass ihn jemand beobachtete. Unauffällig betrachtete er die von Laternen beleuchtete Straße mit ihren heruntergekommenen Marktständen und Läden und die Männer in ihren langen, weiten Hemden - gallabiyyas -, die an zerkratzten Tischen heißen Tee tranken und Wasserpfeife rauchten. Er bemühte sich, vollkommen gelassen zu wirken. Doch dieser Stadtteil des alten Bagdad schien ein merkwürdiger Ort zu sein, um den weltbekannten Kinderarzt und Chirurgen Dr. Radah Mahuk zu treffen.
Aber Domalewski hatte ihm genaue Anweisungen gegeben. Allmählich verzweifelte Jon. Der berühmte Kinderarzt war seine letzte Hoffnung, denn es wäre sehr gefährlich, einen weiteren Tag in Bagdad zu bleiben. Jeder, mit dem er gesprochen hatte, konnte die Republikanische Garde benachrichtigen. Andererseits war der nächste Informant
möglicherweise derjenige, der ihm sagen konnte, wo der Virus zuerst
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