Ludlum Robert - Covert 01
Einige debattierten weiter, andere stahlen sich rasch davon.
In diesem Augenblick suchten sich die Männer ihr Opfer aus: einen Bäcker mit hoch aufgetürmten Brotlaiben auf den Armen, der sein Gesicht dahinter verbarg, war zurückgetreten und ging dann um die Menschenmenge herum. Die Frau erkannte ihn nicht.
Mit harten Blicken und gezückten Pistolen umzingelte das Trio den Bäcker. Einer schlug ihm die Brotlaibe aus den Armen, ein anderer knallte ihm die Waffe in das von Panik gezeichnete Gesicht.
In der Tuchtasche der Frau war eine Pistole versteckt und es drängte sie, die Waffe zu ziehen und die brutalen Schergen zu töten. Unter ihrem pushi war ihr Gesicht vor Zorn gerötet. Sie biss sich auf die Unterlippe, weil sie sich verzweifelt danach sehnte, handeln zu können.
Aber sie hatte einen Auftrag zu erledigen und durfte nicht erkannt werden.
Plötzlich herrschte auf der belebten Straße Schweigen. Während der Bäcker zu Boden fiel, wandten die Menschen den Blick ab und entfernten sich dann. Jeder, der die Aufmerksamkeit der unberechenbaren Republikanischen Garde auf sich zog, war arm dran. Das Gesicht des Gestürzten blutete und er schrie. Hasserfüllt beobachtete die Frau, wie zwei der Männer seine Arme packten und ihn wegschleiften. Er war öffentlich verhaftet worden, aber vielleicht hatten sie ihn auch einfach nur schikaniert. Man konnte sich nicht sicher sein. Seine Familie würde alles in ihrer Macht Stehende tun, damit er die Freiheit wiedererlangte.
Eine volle Minute verstrich. Wie die Ruhe vor einem Wüstensturm erschien jetzt auch die nächtliche Luft schwer und unheildrohend. Es war nur ein kleiner Trost, dass sich die willkürlich zuschlagenden Schergen einen anderen vorgeknöpft hatten. Beim nächsten Mal konnte es sie treffen.
Aber das Leben ging weiter und es wurde wieder laut auf der Straße. Manche Menschen tauchten wieder auf. Der Bauer nahm das Geld der Frau und gab ihr eine Orange. Zitternd ließ sie sie neben die Waffe in die Stofftasche fallen. Dann eilte sie davon und blickte sich dabei unbehaglich um, während sie vor ihrem geistigen Auge das verängstigte Gesicht des bemitleidenswerten Bäckers sah.
Schließlich bog sie in eine Einkaufsstraße ein, wo die Hochhäuser höher als alle Minarette am anderen Ufer des Tigris waren. Jetzt gab es auf dieser breiten Prachtstraße nur noch wenige Luxusgüter zu kaufen und noch viel weniger Kunden, die sie sich hätten leisten können. Touristen kamen heutzutage nicht mehr nach Bagdad. Deshalb war das moderne KönigSargon-Hotel auch leer, als sie endlich dort eintraf. Die einst spektakuläre Halle mit ihren Obsidian- und Chromverzierungen war von einem Innenarchitekten aus dem Westen entworfen worden, der die Kulturen der alten Königreiche mit dem modernsten Komfort der westlichen Welt verbinden wollte. Jetzt war die Hotelhalle nicht nur schlecht beleuchtet, sondern auch heruntergekommen und weitgehend leer.
Der große Page mit den dunklen Augen und dem SaddamHussein-Schnurrbart flüsterte dem gelangweilten Portier eben wütend etwas zu. »Was hat der große Führer denn für uns getan, Rashid? Erzähl mir, wie das Genie aus Tikrit die ausländischen Teufel vernichtet und uns reich gemacht hat. Tatsächlich bin ich so reich, dass mein Doktortitel diese abgewetzte Livree schmückt.« Er pochte aufgebracht gegen seine Brust. »Und das alles in einem Hotel, in das keine Gäste mehr kommen. Meine Kinder können von Glück reden, wenn sie so lange leben, dass sie noch mitbekommen, dass sie keine Zukunft haben!«
»Wir werden überleben, Balshazar«, antwortete der Portier düster. »Wir haben immer überlebt und Saddam ist nicht unsterblich.«
Dann bemerkten sie die gebückte alte Frau, die schweigend vor ihnen stand. Sie war leise zu ihnen getreten, unhörbar wie eine Rauchwolke, und einen Augenblick lang war der Portier verwirrt. Wie konnte ihm entgangen sein, dass sie das Hotel betreten hatte? Er starrte sie an und erhaschte einen kurzen Blick auf die schwarzen Augen hinter dem pushi. Dann senkte sie schnell den Blick, wie es in der Gegenwart von Männern - außer dem eigenen Gatten - üblich war.
Der Portier runzelte die Stirn.
Die Stimme der Frau klang unterwürfig und verängstigt. »Ich bitte tausendmal um Entschuldigung«, sagte sie in perfektem Arabisch. »Man hat mich geschickt, weil ich die Näharbeiten von Sundus übernehmen soll.«
Als er ihre ängstliche Stimme hörte, wies der Portier verächtlich mit dem Kopf auf eine Tür. »Du
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