Ludlum Robert - Covert 01
gehören, wo man durchaus viel Geld machen konnte.
Schließlich griff er nach dem Telefonhörer. Aber er wählte nicht die Nummer einer Regierungsbehörde.
Der Arzt atmete tief durch. »Hier spricht Dr. Kamil. Sie haben wegen eines gewissen Mannes Kontakt zu mir aufgenommen.« Er versuchte, mit fester Stimme zu reden. »Er hat gerade meine Praxis verlassen. Seine Papiere weisen ihn als Mitarbeiter der Vereinten Nationen aus Belize aus. Sein Name ist Mark Bonnet. Ich bin mir allerdings sicher, dass es der Mann ist, nach dem ich in Ihrem Auftrag Ausschau halten sollte. Ja, nach dem Virus, der im Glorreichen Krieg der Einheit aufgetreten ist, hat er mich gefragt. Nein, er hat nicht gesagt, was er vorhat. Aber er war sehr an den Überlebenden interessiert…. Natürlich…. Ich bin Ihnen sehr dankbar und erwarte morgen das Geld und die Antibiotika.«
Dr. Kamil legte auf und ließ sich auf seinen Stuhl fallen. Er seufzte und fühlte sich schon besser - so viel besser, dass er sich ein schwaches Lächeln gestattete. Das Risiko war groß, aber die Belohnung war es mehr als wert - wenn er Glück hatte. Durch einen einzigen Telefonanruf würde er dann zu den wenigen Menschen in Bagdad gehören, die über eine private Quelle für Antibiotika verfügten.
Zuversichtlich rieb er sich die Hände.
Wenn die Reichen oder ihre Kinder krank wurden, würden sie zu ihm kommen und ihm ihr Geld in den Rachen schmeißen. Und zwar keine Dinare, die nutzlos waren in diesem unaufgeklärten Land, in dem er seit dem von den dummen Amerikanern begonnenen Krieg und dem Embargo eingesperrt war. Nein, die reichen Patienten würden ihn mit Dollars überschwemmen. Bald würde er mehr als genug Geld haben, um mit seiner Familie flüchten und irgendwo anders ein neues Leben beginnen zu können.
19 Uhr 01 Bagdad
In der exotischen Stadt brach langsam die Nacht herein. Eine von Kopf bis Fuß verhüllte Frau in dem allgegenwärtigen abaya schlich hastig wie eine schwarze Spinne unter den von Kerzenlicht beleuchteten Balkonen die enge, mit Kopfsteinen gepflasterte Straße entlang. In den heißen Sommern spendeten die Balkone im ältesten Viertel Bagdads Schatten. Aber dies war eine kühle Nacht im Oktober und durch den schmalen Spalt zwischen den Häuserdächern sah man die Sterne.
Weil sie sich so auf die beiden Aufträge konzentrierte, die sie zu erledigen hatte, blickte die Frau nur einmal auf. Sie wirkte alt. Ihre gebückte Haltung war wahrscheinlich nicht nur auf ihr Alter, sondern auch auf die Unterernährung zurückzuführen. Sie hatte eine abgenutzte Sporttasche aus Stoff bei sich. Neben dem ihren Körper verhüllenden schwarzen abaya trug sie ein traditionell weißes pushi -Tuch, das fast ihr ganzes Gesicht bedeckte und nur ihre dunklen Augen erkennen ließ, deren Blick weder niedergeschlagen noch leer wirkte.
Sie eilte an Erkerfenstern mit geschnitzten Sichtgittern vorbei
- mashrabiyah -, durch die man zwar auf die Straße blicken, aber nicht in die Häuser hineinsehen konnte. Schließlich bog sie in eine gewundene Hauptstraße ab, die von schwankenden alten Straßenlaternen beleuchtet wurde und von Stimmengewirr erfüllt war. Konkurrierende Ladenbesitzer versuchten verzweifelt, ihre wenigen Waren an den Mann zu bringen. Überall rannten schreiende Kinder ohne Schuhe herum. Niemand warf der Frau mehr als einen flüchtigen Blick zu. Weil es bald acht Uhr abends war und die Geschäfte dann schlossen, herrschte hier der letzte Ansturm des Tages.
Da tauchten drei Männer von Saddam Husseins gefürchteter Republikanischer Garde auf, die die unverwechselbaren dunkelgrünen Uniformen und Koppeln trugen.
Die Nerven der Frau waren zum Zerreißen gespannt, als sich die Uniformierten näherten. Zu ihrer Linken, zwischen den in der kühlen Nachtluft dampfenden Marktständen, stand ein Bauer mit frischem Obst vom Land. Eine Menschenmenge hatte sich dort versammelt und die Leute stritten sich, wer was zu welchem Preis kaufen durfte. Sofort zog sie Dinare aus ihrem weit geschnittenen abaya, mischte sich unter die Kunden und fiel in das Stimmengewirr ein.
Mit Herzklopfen betrachtete sie aus den Augenwinkeln die muskulösen Männer der Republikanischen Garde.
Einer von ihnen sagte etwas, ein anderer antwortete. Wegen ihrer Waffen und ihrer ungefährdeten Existenz fühlten sie sich sicher. Bald machten sie lachend höhnische Bemerkungen.
Während sie den Bauern um Obst bat, schwitzte die Frau. Um sie herum blickten andere Iraker nervös über ihre Schultern.
Weitere Kostenlose Bücher