Ludlum Robert - Covert 01
die Wände verraten könnten. Aber er war auch ein kultivierter Mann. »Vor einem Jahr hatte ich einen Patienten, der plötzlich an akutem Lungenversagen mit hämorrhagischen Blutungen gestorben ist. Zwei Wochen zuvor schien er an einer schweren Erkältung erkrankt zu sein.«
Jon unterdrückte seine Aufregung. Dieselben Symptome wie bei den Todesfällen in den Vereinigten Staaten. »Hat er während der Operation Desert Storm auf irakischer Seite gekämpft?«
Der Gesichtsausdruck des Arztes verriet Angst. »Nehmen Sie diesen Ausdruck nicht in den Mund!«, flüsterte er. »Er hatte die Ehre, mit der Republikanischen Garde im Glorreichen Krieg der Einheit kämpfen zu dürfen!«
»Besteht die Möglichkeit, dass sein Tod mit einem Kontakt mit biologischen Kampfstoffen in Zusammenhang steht? Wir wissen, dass Saddam biologische Waffen hatte.«
»Das ist eine Lüge! Nie würde unser großer Führer den Einsatz solcher Waffen zulassen. Wenn es sie gab, hat sie der Feind ins Land geschleppt.«
»Dann könnte sein Tod etwas mit den biologischen Kampfstoffen der Alliierten zu tun gehabt haben?«
»Nein. Auf keinen Fall.«
»Aber Ihr Patient hat sich irgendwann während des Kriegs infiziert?«
Der Arzt nickte. Sein dunkelhäutiges Gesicht wirkte besorgt. »Er war ein alter Freund der Familie. Jedes Jahr habe ich ihn gründlich untersucht. In einem rückständigen Land wie dem unseren kann man mit der Gesundheit nie vorsichtig genug sein.« Sein ängstlicher Blick wanderte durch den Raum, weil er sein Land beleidigt hatte. »Kurz nachdem er sein normales Leben wieder aufgenommen hatte, machten sich viele Symptome geringfügiger Infektionskrankheiten bemerkbar, die sich mit normalen Behandlungsmethoden nicht kurieren ließen, aber bald wieder verschwanden. Im Lauf der Jahre litt er zunehmend unter Fieber und kurzen Grippeerkrankungen. Dann kamen die schwere Erkältung und der plötzliche Tod.«
»Sind noch andere Menschen im Irak an den Folgen der Virusinfektion gestorben?«
»Ja. In Bagdad gab es zwei Todesfälle.«
»Haben sie auch im Golfkrieg gekämpft?«
»Zumindest hat man mir das erzählt.«
»Konnte jemand geheilt werden?«
Dr. Kamil verschränkte die Arme vor der Brust und nickte unglücklich. »Ich habe Gerüchte diesbezüglich gehört«, sagte er, ohne Jon anzublicken. »Aber meiner Meinung nach haben diese Patienten die lebensbedrohliche akute respiratorische Insuffizienz einfach überlebt. Im Gegensatz zu unbehandelter Tollwut ist kein Virus hundertprozentig tödlich, selbst der Ebola-Virus nicht.«
»Wie viele Menschen haben überlebt?«
»Drei.«
Immer wieder drei. Die Hinweise häuften sich. Jon unterdrückte seine Aufregung und sein Entsetzen. Er entdeckte Indizien, die mehr und mehr auf ein Experiment mit menschlichen Versuchskaninchen hindeuteten. »Wer waren die Überlebenden?«
Nun machte der verängstigte Arzt einen Rückzieher. »Das genügt! Ich will nicht, dass Sie mit Informationen zu den Überlebenden in der Gegend herumrennen, die auf mich zurückgeführt werden könnten.« Er riss die Tür des Untersuchungszimmers auf und zeigte auf eine andere Tür jenseits des Korridors. »Gehen Sie!«
Smith rührte sich nicht. »Irgendetwas hat Sie zum Reden veranlasst, Dr. Kamil. Und dabei ging’s nicht um die drei Toten.«
Einen Augenblick lang sah es so aus, als ob der Arzt aus der Haut fahren würde. »Ich sage nichts mehr! Schluss jetzt! Gehen Sie! Ich glaube nicht, dass Sie aus Belize stammen oder für die Vereinten Nationen arbeiten!« Seine Stimme wurde immer lauter. »Ein Anruf bei den Behörden, und…«
Smith’ Anspannung wuchs. Der verängstige Arzt schien zu explodieren und Jon konnte nicht das Risiko eingehen, deswegen gleich in der Falle zu sitzen.
Nachdem er das Haus durch den Seiteneingang verlassen hatte, stahl er sich durch eine Gasse davon. Erleichtert sah er, dass die Limousine der ehemaligen amerikanischen Botschaft auf ihn gewartet hatte.
Dr. Hussein Kamil zitterte vor Angst und Wut. Er war wütend, weil er sich selbst in diese Lage hineinmanövriert hatte, und besorgt, dass man ihn schnappen würde. Zugleich bot ihm diese unglückliche Lage aber auch eine Chance - wenn er den Mut hatte, sie beim Schopf zu ergreifen.
Mit gesenktem Kopf und vor der Brust verschränkten Armen versuchte er, sich zu beruhigen. Er hatte eine große Familie zu versorgen und sein Land zeigte Auflösungserscheinungen. Jetzt musste er an die Zukunft denken, weil er es satt hatte, in einem Land zu den Armen zu
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