Ludlum Robert - Covert 01
ich kenne. Alles ging sehr schnell und die Infektion war absolut tödlich.«
Smith nickte. Mit einer übermenschlichen Willensanstrengung verdrängte er den Gedanken daran, wer die aufgeschlitzte Leiche auf dem schrägen Metalltisch mit seinen Blutabflussrinnen gewesen war. Gemeinsam mit Lutfallah machte er sich an die furchtbare Aufgabe, Blut- und Gewebeproben zu nehmen.
Erst nach der Autopsie, als Smith die grüne Kapuze, Gesichtsmaske, Handschuhe und den Schutzanzug abgelegt hatte und allein auf einer langen Bank vor dem Obduktionsraum wartete, gestattete er es sich wieder, um Sophia zu trauern.
Er hatte zu lange gewartet und es zugelassen, dass ihn seine Lust auf wissenschaftliche und medizinische Abenteuer rund um den Erdball führte und ihn zu weit von allem entfernte. Und er hatte sich selbst belogen, als er sich einredete, dass sein Leben als Nomade durch die Beziehung zu Sophia ein Ende gefunden habe. Es stimmte nicht. Selbst nachdem er ihr einen Heiratsantrag gemacht hatte, ließ er sie weiterhin seiner Interessen wegen allein. Und jetzt konnte er die verlorene Zeit nicht zurückholen.
Der Schmerz war tiefer als irgend ein körperliches Leiden, das er je gespürt hatte. Er versuchte, mit der furchtbaren Tatsache fertig zu werden, dass sie nie mehr zusammen sein würden. Schließlich beugte er sich vor und ließ sein Gesicht in seine Hände sinken. Er sehnte sich nach ihr. Dicke Tranen rannen durch seine Finger. Tränen des Bedauerns, der Schuld, der Trauer. Er zitterte und schluchzte leise. Sie war tot und er konnte nur den einen Gedanken fassen, dass er sich danach sehnte, sie noch einmal in den Armen zu halten.
9
9 Uhr 18
Bethesda, Maryland
Die meisten Menschen stellen sich das riesige Staatliche Gesundheitsamt (NIH) als eine einzelne Einheit vor, aber das ist weit von der Realität entfernt. Auf dem mehr als dreihundert Morgen großen NIH-Gelände in Bethesda, nur etwa fünfzehn Kilometer von der Kuppel des Kapitols entfernt, liegen vierundzwanzig getrennte Institute, Zentren und Abteilungen, die mehr als sechzehntausend Menschen beschäftigen. Erstaunlich ist, dass sechstausend Wissenschaftler einen Doktortitel führen. Hier gibt es mehr hoch qualifizierte Uniabsolventen als an den meisten Colleges und in manchen Staaten.
Über all dies dachte Lily Lowenstein nach, während sie aus dem Fenster ihres Büros im obersten Stock eines der fünfundsiebzig Gebäude starrte, die auf dem NIH-Gelände standen. Ihr Blick glitt über die Blumenbeete, die hügeligen Rasenflächen, die von Bäumen gesäumten Parkplätze und die Bürogebäude, in denen so viele bestens ausgebildete und hochintelligente Menschen arbeiteten.
Sie suchte nach einer Antwort auf eine Frage, auf die es keine Antwort gab.
Als Direktorin der Zentralstelle für medizinische Datenerfassung war Lily selbst eine sehr intelligente und bestens ausgebildete Frau, die in ihrem Beruf den Gipfel erklommen hatte. Sie war allein in ihrem Büro und starrte auf das Gelände des renommierten Instituts, aber sie sah weder die Menschen noch die Gebäude, noch sonst etwas. Tatsächlich dachte sie über ein Problem nach, das im Lauf vieler Jahre fast unmerklich so schwer wiegend geworden war, dass es sie wie die sprichwörtliche Zentnerlast zu Boden zu drücken drohte.
Lily war eine pathologische Spielerin. Es war gleichgültig, um was für ein Spiel es sich handelte - sie war nach allen süchtig. Anfangs hatte sie ihren Urlaub mehrmals in Las Vegas verbracht. Später, nachdem sie ihre erste Stellung in Washington angenommen hatte, fuhr sie nach Atlantic City, weil sie so schneller an die Spieltische gelangte. Dort konnte sie an den Wochenenden, an einem freien Tag oder sogar - wie in den letzten Jahren - eine Nacht lang spielen. Der Zwang war im selben Maß wie ihr Schuldenberg größer geworden.
Hätte sich ihr Spieltrieb auf die Spielkasinos und einen gelegentlichen Ausflug zur Pferderennbahn in Pimlico oder Arlington beschränkt, wäre alles im Rahmen geblieben. Die Verluste waren ärgerlich und hätten ihr gutes Gehalt verschlungen. In ihren familiären Beziehungen hätten sich Risse aufgetan, wenn sie Besuche absagte und ihren Nichten und Neffen zu Weihnachten oder zum Geburtstag keine Geschenke schickte. Sie hätte mit nur wenigen Freunden dagestanden. Aber es hätte kein derart fürchterliches Fiasko gegeben, wie sie es jetzt durchstehen musste.
Bei den Buchmachern wettete sie per Telefon, sie setzte in Bars mit Wettbüros und schließlich
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