Ludlum Robert - Covert 01
pumpte sie sich Geld bei Kredithaien, die gesichtslosen und gehetzten Seelen wie ihr noch etwas gaben. Jetzt war ihre Schuldenlast auf mehr als fünfzigtausend Dollar angewachsen und ein Mann, der seinen Namen nicht genannt hatte, hatte sie angerufen und gesagt, dass er alle ihre Schulden übernommen habe und gerne mit ihr über die Rückzahlung reden würde. Es lief ihr kalt den Rücken hinunter. Ihre Hand zitterte wie die einer Trinkerin. Der Mann war höflich gewesen, aber es hatte ein bedrohlicher Unterton in seinen Worten mitgeschwungen. Um neun Uhr dreißig sollte sie ihn in der Innenstadt von Bethesda in einer Bar mit Wettbüro treffen, die sie nur zu gut kannte.
Verängstigt versuchte sie herauszufinden, was sie tun sollte. Illusionen machte sie sich nicht. Natürlich konnte sie zur Polizei gehen, aber dann würde alles herauskommen. Sie würde ihren Job verlieren und wahrscheinlich ins Gefängnis kommen, weil sie Büromaterial billig gekauft und die Differenz zu dem offiziell bewilligten Betrag eingestrichen hatte. Sogar in die Portokasse hatte sie gegriffen. So war das eben bei Spielsüchtigen.
Jetzt gab es keine Freunde oder Familienmitglieder mehr, die ihr Geld leihen würden, selbst wenn sie ihnen gestanden hätte, dass sie ein Problem hatte. Eins ihrer beiden Autos, der Beemer, war gepfändet worden und ihr Haus war bis zum äußersten mit Hypotheken belastet. Einen Ehemann hatte sie nicht - nicht mehr. Mit ihren Zahlungen für die Privatschule ihres Sohns war sie im Rückstand. Sie hatte keine Wertpapiere, keine Aktien, keine Immobilien. Niemand würde ihr helfen, nicht einmal ein Kredithai. Jetzt nicht mehr.
Davonlaufen konnte sie auch nicht. Alles, was sie noch hatte, war ihr Job. Ohne den wäre sie nichts.
Sie war nichts.
Aus einer Nische im hinteren Teil der Bar beobachtete Bill Griffin die Frau, die das Lokal betrat. Sie entsprach ungefähr dem, was er erwartet hatte: mittleres Alter, Mittelklasse, fast etwas geziert, schwer zu beschreiben. Ein paar Zentimeter größer, vielleicht knapp einen Meter fünfundsiebzig. Ihre vernachlässigte Kleidung sprach Bände. Das Kostüm war fast schäbig und saß nicht so, wie man es bei der Direktorin einer großen Regierungsbehörde erwartet hätte. Ihre Frisur war unordentlich und man sah die grauen Haarwurzeln. Die typische Spielerin.
Aber sie wirkte auch - und das war typisch für Bürokraten der mittleren Führungsebene - etwas hochnäsig, wie sie da in der Tür stand und sich nach jemandem umblickte, der aufstände und ihr ein Zeichen gäbe.
Griffin ließ sie schmoren.
Schließlich erhob er sich, blickte sie an und nickte. Mit steifem Gang kam sie langsam an den Tischen und Nischen vorbei auf ihn zu.
»Mrs. Lowenstein?«
Sie nickte, um ihre Angst unter Kontrolle zu kriegen. »Und wie ist Ihr Name?«
»Spielt keine Rolle. Nehmen Sie Platz.«
Sie setzte sich, und weil sie nervös war und sich unbehaglich fühlte, ging sie zum Angriff über. »Woher wissen Sie von meinen Schulden?«
Bill Griffin lächelte dünn. »Das interessiert Sie doch nicht wirklich, Mrs. Lowenstein, oder? Wer ich bin, woher ich über Ihre Schulden Bescheid weiß, warum ich sie übernommen habe… Das alles ist Ihnen verdammt egal, stimmt’s?« Er blickte auf ihre zitternden Wangen und Lippen. Innerlich nickte er befriedigt. Sie war verängstigt und das machte sie anfällig. »Ich habe Ihre Schuldscheine.« Während sie unbehaglich hin und her rutschte, betrachtete er ihre braunen Augen. »Ich bin hier, um Ihnen eine Chance zu geben, damit Sie sich aus dem Schlamassel befreien können.«
Sie schnaubte verächtlich. »Aus dem Schlamassel befreien?«
Kein Spieler gab viel darum, einfach nur seine Schulden zu tilgen. Das Spielen war ein Zwang, eine Krankheit. Die Schulden waren ein Ärgernis oder eine Gefahr, aber sie hinterließen erst dann Eindruck, wenn die Pferderennbahnen, die Buchmacher oder sonst jemand sich weigerte, den Spielsüchtigen ohne Bargeld zocken zu lassen. Griffin wusste von Lilys täglichem Kampf, mehr Geld heranzuschaffen, als für Fünfdollareinsätze nötig war.
Also warf er ihr den Knochen vor, der diese Hündin mit dem Schwanz wedeln lassen sollte. »Sie können einen neuen Anfang machen. Ich werde Ihre Schulden streichen. Niemand wird je davon erfahren und ich werde Ihnen genug Geld geben, damit Sie neu beginnen können. Hört sich das nicht gut an?«
»Ein neuer Anfang?« Die Aufregung ließ Lily Lowenstein erröten. Einen Augenblick lang strahlten ihre
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