Ludlum Robert - Covert 01
Anschließend überprüfte er die Schubladen. Er hatte sich nicht getäuscht. Das Monatsverzeichnis ihrer Telefongespräche, das Kielburger von seinen Mitarbeitern verlangte, war verschwunden.
Er lief in sein Büro zurück und telefonierte erneut. »Mr. Curtis? Hat Sophia ihr Telefonverzeichnis für Oktober schon früher eingereicht? Nein? Sind Sie sicher? Danke.«
Die Mörder hatten auch das Telefonverzeichnis gestohlen. Warum? Weil es ein Telefongespräch gegeben hatte, in dem es darum gegangen war, was sie zu verbergen suchten. Die Aufzeichnung war zusammen mit dem Bericht des PrinzLeopold-Instituts gelöscht worden. Seine Widersacher waren mächtig und clever. Der Versuch herauszufinden, was Sophia getan oder gewusst hatte oder weshalb ihr Mörder geglaubt hatte, sie umbringen zu müssen, hatte ihn zu einer scheinbar undurchdringlichen Mauer geführt.
Er musste die Antwort auf einem anderen Weg finden - indem er die Lebensgeschichten der anderen Opfer untersuchte. Vor ihrem Tod musste es eine Verbindung zwischen ihnen gegeben haben, die auf tragische Weise zu ihrem Tod geführt hatte.
Er griff erneut nach dem Telefon. »Hier Jon Smith, Miss Curtis. Ist der General in seinem Büro?«
»Natürlich, Colonel. Bleiben Sie dran.« Melanie Curtis stammte aus Mississippi und mochte Smith. Aber heute war ihm nicht nach dem üblichen Flirt zumute.
»Danke.«
»General Kielburger.«
»Wollen Sie immer noch, dass ich morgen nach Kalifornien fliege?«
»Weshalb haben Sie Ihre Meinung geändert, Colonel?«
»Vielleicht habe ich eine Erleuchtung gehabt. Die größere Gefahr sollte Vorrang haben.«
»Natürlich«, antwortete Kielburger ungläubig. »Okay., Sie starten morgen um acht Uhr in Andrews. Kommen Sie um sieben Uhr in mein Büro, damit ich Ihnen Ihre Anweisungen geben kann.«
11
17 Uhr 04
Adirondack-Park, New York
Entgegen der Ansicht der meisten Bewohner dieses Erdballs bestehen zwei Drittel New Yorks nicht aus Wolkenkratzern, überfüllten U-Bahnen und gnadenlosen Finanzmärkten. Von seiner Veranda aus blickte Victor Tremont, Chief Operating Officer von Blanchard Pharmaceuticals, nach Westen auf den riesigen Adirondack-State-Park. Vor seinem geistigen Auge sah er die Landkarte vor sich: Das gut zweihundert Millionen Hektar große, teils in Privatbesitz befindliche, teils dem Bundesstaat New York gehörende Naturschutzgebiet erstreckte sich von Vermont im Osten fast bis zum Lake Ontario im Westen, von der kanadischen Grenze im Norden fast bis nach Albany im Süden. In diesem Nationalpark gab es reißende Flüsse, Tausende von Seen und die sechsundvierzig gezackten Gipfel von mehr als eintausendzweihundert Meter hohen Bergen.
Tremont wusste all dies, weil sein scharfer Verstand automatisch wichtige Fakten herausfilterte und speicherte. Ihm war der Adirondack-Nationalpark nicht nur deshalb wichtig, weil es sich um ein faszinierendes naturbelassenes Waldgebiet handelte, sondern auch, weil die Gegend nur spärlich besiedelt war. Eine der Geschichten, die er gerne seinen Gästen am Kamin erzählte, handelte vom Chef der Steuerbehörde eines Bundesstaates, der hier ein Sommerhaus gekauft hatte und der Meinung war, dass der Steuerbescheid des Countys zu hoch ausgefallen sei. Er ging der Sache nach und fand im Verlauf seiner Untersuchungen heraus - an dieser Stelle lachte Tremont immer herzhaft -, dass Steuerinspektoren in massive Korruptionsvorfälle verstrickt waren. Er erreichte, dass die zwielichtigen Gestalten angeklagt wurden, aber man brachte keine Jury zusammen. Warum? In diesem County gab es nur wenige permanente Bewohner und die waren entweder selbst in die Korruptionsaffäre verstrickt oder Verwandte der Angeklagten.
Tremont lächelte. Die Abgeschiedenheit und die Korruption machten das bewaldete Land für ihn zum vollkommenen Paradies. Vor zehn Jahren hatte er den Umzug von Blanchard Pharmaceuticals in einen Gebäudekomplex aus roten Backsteinen veranlasst, der auf seine Anweisungen hin im Wald in der Nähe des Dorfs Long Lake errichtet worden war. Zur selben Zeit hatte er ein abgelegenes Haus am nahe gelegenen Lake Magua zu seinem Hauptwohnsitz erkoren.
Während die Sonne wie eine feurige, orangefarbene Scheibe hinter den Kiefern, den Laubbäumen und den gezackten Berggipfeln unterging, stand Tremont auf der überdachten Veranda im ersten Stock seines Hauses. Er genoss seinen Reichtum, seine Macht und seinen guten Geschmack, von denen dieser Blick, sein Haus und sein Lebensstil Zeugnis ablegten.
Einst hatte
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