Ludlum Robert - Covert 02
Schönheit von der Sanftmut eines scheuen Rehs, die sich für Treloar als unwiderstehliche Versuchung erwiesen hatte. Doch dann hatte sich herausgestellt, dass das scheue Reh in Wirklichkeit ein Köder war, ein Köder, den ein Konkurrent von Bauer-Zermatt ausgelegt hatte, um Treloar zu kompromittieren und sich gefügig zu machen.
Treloar hatte die Falle nie bemerkt; er hatte nur Augen für das sanfte Reh gehabt. Dafür bekam er später viel mehr zu sehen, später, als Männer ihn in seinem Apartment aufsuchten und ihm Bandaufnahmen mit Sexszenen vorspielten, auf denen er der Hauptdarsteller war. Sie stellten ihn eiskalt vor die Wahl zu kooperieren oder bloßgestellt zu werden. Wegen der Vertraulichkeit ihrer Forschungsarbeiten musste jeder Angestellte von Bauer-Zermatt bei der Einstellung eine Vertragsklausel unterschreiben, die ihn zur Einhaltung strengster moralischer Regeln verpflichtete. Die Männer in Treloars Apartment versäumten nicht, ihn auf diese Klausel hinzuweisen, als sie ihm das Video vorspielten. Sie machten ihm klar, dass er keine andere Wahl hatte als Informationen über die Forschungsarbeiten der Firma an sie herauszugeben. Die Alternative war natürlich nicht nur, dass er seine Stellung verlor. Nein, seine Eskapaden würden an die Öffentlichkeit gelangen, und wenn dann alles genügend ausgeschlachtet war und nachdem man eine Zivilklage erhoben hatte - der vielleicht sogar eine zusätzliche Klage seitens der Staatsanwaltschaft folgen sollte -, würde er mit Sicherheit in der medizinischen Forschung keine Stelle mehr finden.
Sie gaben ihm achtundvierzig Stunden Zeit, um es sich zu überlegen. Die ersten vierundzwanzig Stunden tat er nichts anderes. Dann hatte er die Scherben seiner Karriere lange genug angestarrt und erkannt, dass die Erpresser zu weit gegangen waren: Sie hatten ihn in eine Position gedrängt, in der er nichts mehr zu verlieren hatte, wenn er sich wehrte.
In Folge seiner gehobenen Position bei Bauer-Zermatt kostete es Treloar keine Mühe, kurzfristig einen Gesprächstermin bei Dr. Karl Bauer selbst zu bekommen. In der eleganten Umgebung von Bauers Züricher Büro schilderte er diesem seine Verfehlungen und den Erpressungsversuch, dem er ausgesetzt war.
Zu Treloars Überraschung hörte Bauer seinem Geständnis nahezu wortlos zu und wies Treloar dann an, ihn am nächsten Morgen erneut aufzusuchen.
Bis zum heutigen Tage hatte Treloar keine Ahnung, was sich hinter der Bühne zugetragen hatte. Jedenfalls gab Bauer ihm am nächsten Morgen zu verstehen, dass er nie wieder von den Erpressern hören würde. Alle Beweisstücke für seine Verfehlungen waren sichergestellt. Es würde keine Anklage gegen ihn erhoben werden - niemals.
Aber man erwartete Wiedergutmachung von ihm. Bauer gab Treloar zu verstehen, dass er die Firma verlassen müsse und mit einem Angebot von der NASA rechnen könne; dieses Angebot habe er anzunehmen. Seinen Kollegen würde man erklären, dass er die Chance wahrnehme, in einem Bereich der Forschung zu arbeiten, zu dem er, wenn er bei Bauer-Zermatt bliebe, nie Zugang gehabt hätte. Unmittelbar nach Antritt seiner Tätigkeit bei der NASA habe er sich bei Dr. Dylan Reed zu melden und sich zu dessen Verfügung zu halten. Reed würde dort so etwas wie sein Mentor sein, und Treloar habe ihm widerspruchslos zu gehorchen.
Treloar erinnerte sich noch deutlich an die eisige und präzise Kälte, mit der Bauer ihm sein Edikt mitgeteilt hatte. Er erinnerte sich, wie es in Bauers Augen zornig aufgeblitzt hatte, ein Zorn, der freilich sofort in ein amüsiertes Schmunzeln übergegangen war, als Treloar betreten gefragt hatte, was für Forschungsarbeiten er bei der NASA zu verrichten habe.
»Ihre Arbeit wird von zweitrangiger Bedeutung sein«, hatte Bauer ihm erklärt. »Was mich interessiert, ist Ihre Verbindung zu Ihrer Mutter und damit zu Russland. Sie werden sie regelmäßig besuchen, denke ich.«
Der kalte Wind veranlasste Treloar, die Schultern hochzuziehen, als er der hellen Beleuchtung des Gorkij Platzes den Rücken kehrte und in die dunklen Straßen des Sadovaja Viertels eindrang, wo die Kneipen, die jetzt die Straßen säumten, immer verwahrloster wurden und die Obdachlosen und Betrunkenen immer aggressiver wirkten, je weiter er sich vom Gorkij Platz entfernte. Aber Treloar besuchte das Sadovaja Viertel nicht zum ersten Mal und hatte keine Angst.
Einen halben Häuserblock weiter sah er die vertraute Neonschrift: KROKODIL. Gleich darauf klopfte er an die massive
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