Ludlum Robert - Covert 02
Beria ein Vermittler sei. Was ist, wenn er nicht in erster Linie für Yardeni verantwortlich war?«
»Was meinen Sie damit?«
»Yardeni war insoweit wichtig - sogar entscheidend wichtig -, weil er innerhalb von Bioaparat agieren konnte. Er war derjenige, dem es möglich war, in den Kühlraum einzudringen und den Erreger herauszuholen. Aber wie wertvoll war er anschließend? Nach dem Diebstahl stellte er doch eher eine Belastung dar. Yardeni ist auch nicht an einer Schusswunde gestorben. Beria hat ihn vergiftet.«
»Worauf wollen Sie hinaus?«
»Dass Beria Anweisung hatte, den Erreger zu schützen, nicht etwa Yardeni.«
»Aber Yardeni hatte den Behälter doch in der Tasche. Sie haben ihn selbst gesehen.«
»Habe ich das, General? Tatsächlich habe ich einen Behälter gesehen. Wollen Sie aber wissen, was er enthält?«
Der Bus vom Zentralbahnhof rollte durch den dichter werdenden Moskauer Verkehr. Wegen der frühen Stunde war Iwan Beria einer von nur sechs Fahrgästen. Neben der hinteren Tür sitzend sah er zu, wie ein ganzes Rudel Milizfahrzeuge an ihnen vorbei auf das Bahnhofsgebäude zuschoss und hörte sich die Vermutungen der anderen Fahrgäste an, was da wohl im Gange sein mochte.
Wenn sie nur wüssten…
Beria machte sich keine Sorgen, dass der Bus etwa aufgehalten werden könnte. Nicht einmal Generalmajor Kirov, der Mann, der hunderttausend Rubel Belohnung auf seinen Kopf ausgesetzt hatte, konnte in so kurzer Zeit eine so gründliche Suchaktion organisieren. Kirovs erste Maßnahme würde darin bestehen, die Einsatzleiter der verschiedenen Taxigesellschaften zu befragen. Den Polizeibeamten im Bahnhof würde man ein Foto zeigen und sie fragen, ob jemand, auf den diese Beschreibung passte, in einen privaten Wagen gestiegen war. Am Ende würde Kirov möglicherweise auch an den Bus denken, aber nicht früh genug, als dass ihm das noch nützlich hätte sein können.
Der Bus polterte über Straßenbahngeleise und quälte sich dann die Zufahrt zu der Ringstraße hinauf, die die Stadt umgibt. Beria vergewisserte sich, dass der Behälter, den er Yardeni weggenommen hatte, sicher in seiner Tasche verwahrt war. Seine besten Verbündeten waren jetzt Verwirrung und Fehlinformationen: Sie würden dafür sorgen, dass er die Zeit bekam, die er brauchte. Sobald Kirov sich Yardenis Leiche nä her ansah, würde er den Behälter entdecken, den Beria dem Bioaparat-Offizier gegeben hatte. Kirov würde annehmen, dass er die Pockenerreger enthielt, die aus Block 103 gestohlen worden waren. Sein erster Gedanke würde sein, sie an einen sicheren Ort zu bringen, aber er würde keinen Anlass haben, sie überprüfen zu lassen. Und bis das geschah, konnten die echten Proben sicher im Westen eingetroffen sein.
Beria lächelte und wandte sich zum Fenster, als vor ihnen die weitläufigen Anlagen des Scheremetjevo Flughafens auftauchten.
Die Motorradeskorte hielt an, als das Fahrzeug mit Yardenis Behälter in die Tiefgarage des Serbski Instituts rollte. Die Limousine, in der Kirov und Smith saßen, fuhr so dicht an den gepanzerten Lieferwagen heran, dass die beiden Männer zusehen konnten, wie die schwere Stahlkiste ausgeladen wurde.
»Man wird sie in die Labors der Stufe vier bringen, zwei Stockwerke tiefer«, erklärte Kirov, an Smith gewandt.
»Wie lange wird es dauern, bis wir wissen, was in dem Behälter ist?«
»Eine halbe Stunde.«
Kirov überlegte. »Ja, ich wünschte, das ginge schneller, aber es gibt da eine Anzahl strenger Vorschriften, die befolgt werden müssen.«
Dagegen wusste Smith nichts einzuwenden.
Inmitten einer Gruppe soeben eingetroffener Agenten des Föderationssicherheitsdienstes fuhren sie mit einem Aufzug zwei Stockwerke in die Tiefe. Der Direktor des Instituts, ein schmächtiger Mann, dessen Bewegungen an einen Vogel erinnerten, blinzelte ein paarmal, als Kirov ihn davon in Kenntnis setzte, dass sein Büro jetzt ein zentraler Kommandoposten wäre.
»Sagen Sie mir sofort Bescheid, wenn die Testergebnisse vorliegen«, forderte Kirov ihn auf.
Der Direktor riss seinen Laborkittel vom Kleiderrechen und trat in aller Eile den Rückzug an.
Kirov wandte sich Smith zu. »Jon, so wie die Dinge sich entwickelt haben, ist es höchste Zeit, dass Sie mir genau erklären, weshalb Sie hierher gekommen sind und für wen Sie arbeiten.«
Smith überlegte. Da mit der Möglichkeit gerechnet werden musste, dass die Russen es nicht geschafft hatten, den Pockenerreger innerhalb ihrer Grenzen dingfest zu machen, hatte er keine andere Wahl,
Weitere Kostenlose Bücher