Lüge eines Lebens: Stachelmanns vierter Fall (German Edition)
vor. Nein, das konnte nicht sein. Ausgeschlossen. Unmöglich. Aber er war es. Jetzt, da er sich bewegte, den Tresen verließ und sich hinter einen PC setzte, drei Minuten etwa vor der Zeit, als die Mail abgeschickt wurde, jedenfalls nach der Zeit des PCs, der die Kameras gesteuert hatte. Das war knapp, zu knapp. Allerdings, die Mail an Brigitte war nicht lang gewesen. Und wenn der Mörder sie im Kopf vorformuliert hatte, damit er das Internetcafé schnell wieder verlassen konnte, dann mochte es aufgehen. Und vielleicht ging die Uhr des PC, an dem die Mail geschrieben wurde, nach, dann hätte der Täter noch mehr Zeit gehabt.
»Georgie, den kennst du doch auch!«
Georgie war wie weggetreten, dann riss er die Augen auf. »Das gibt's doch nicht!«
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13
»Das ist doch der ...!«, rief Georgie.
»Bohming«, sagte Stachelmann. »Herr Professor Bohming höchstselbst betritt ein Internetcafé, um sich an einen Computer zu setzen.«
Sie sahen, wie Bohming ihnen den Rücken zuwandte und Platz nahm am zweiten PC an der Wand, von der Tür aus gesehen. Er rutschte hin und her auf dem Stuhl und blickte sich nach allen Seiten um. Stachelmann schien es einen Augenblick so, als würde Bohming ihn anstarren. Dann wandte der sich ab, widmete sich dem PC und klickte unbeholfen mit der Maus herum. »Dass der überhaupt weiß, was ein Computer ist, verblüfft mich fast. Der hat in seinem Büro keinen PC, und ich kann mich nicht erinnern, dass er das Wort ›Computer‹ schon mal in den Mund genommen hat. Ich habe auch noch nie eine Mail von ihm bekommen.«
Georgie sagte nur: »Hm.«
Jetzt begann Bohming zu tippen. Er war flott. Konnte sein, dass er eine Mail schrieb. Stachelmann beobachtete, wie ein junger Mann an Bohming vorbeiging, kurz auf dessen Bildschirm schaute, sich dann aber an einen anderen PC setzte.
»Ob der was gelesen hat?«, fragte Georgie.
»Kaum, war zu kurz. Obwohl ...« Er sah wie Bohming wieder zur Maus griff und klickte. Auf dem Bildschirm verschwand ein weiß gefülltes Rechteck. Bohming stand auf und ging zu dem jungen Mann. Offenkundig sagte er etwas. Aber wenn, dann wenig.
»Kennst du den Kerl?«, fragte Georgie.
»Nein. Vielleicht ein Student. Von denen kenne ich nicht alle. Gott sei Dank.« Stachelmann grinste.
Bohming setzte sich wieder vor seinen PC.
Sie ließen den Film weiterlaufen. Sonst sahen sie niemanden, den sie kannten, aber sie waren auch nicht mehr richtig bei der Sache. Bohming hatte zur fraglichen Zeit dort gesessen, wo die verhängnisvolle Mail an Brigitte verschickt worden war. Stachelmann überlegte, ob Bohming in Frage kam als Täter.
»Lass uns was trinken gehen«, sagte Georgie.
»Kann man die DVD kopieren?«
Georgie lachte. »Im Prinzip ja, aber Lemmi wird das nicht mögen.« Er schaute sich um und fand in einer Ecke eine Spindel mit DVD-Rohlingen. Er packte einen Rohling in die Hülle der Film-DVD, legte sie in die Kiste und ließ den PC die Film-DVD auswerfen. Die reichte er Stachelmann, der sie in seine Jackettinnentasche steckte. Sie grinsten sich an, dann verließen sie den Raum.
Als sie mit einem »Tschüs!« an Lemmi zur Tür hinausgingen, hätte Stachelmann fast Kurz angerempelt. Der staunte und grüßte knapp. »Einsatz«, sagte er dann und ließ Stachelmann stehen. Zwei uniformierte Polizisten folgten ihm ins Internetcafé.
Stachelmann und Georgie gingen ins Abaton-Restaurant. Georgie lümmelte sich auf die Bank, Stachelmann setzte sich auf den Stuhl an der anderen Seite des Tisches. Es saßen ein paar Studenten verstreut im Gastraum, aber niemand konnte ihr Gespräch belauschen. Georgie hatte rote Backen. »Was die Bullen wohl suchen?« Er lachte hämisch. »Die werden blöd aus der Wäsche glotzen, wenn sie den Rohling angucken wollen.«
»Und sie werden bald darauf kommen, wer die richtige DVD hat.«
»Meinetwegen, bis dahin hab ich die kopiert.« Georgie betrachtete die Scheibe von allen Seiten. Dann sagte er: »Mensch, das ist ein Hammer. Bohming also.«
»Vielleicht, vielleicht auch nicht. Welchen Grund könnte er haben, Brigitte umzubringen?«
»Sie war abgetaucht, und er hat erfahren, dass sie auspacken wollte. Sie wusste etwas über ihn, etwas Schlimmes. Und er musste verhindern, dass sie dich informierte.«
»Ich stelle mir gerade vor, wie Bohming auf dem Dach der WiSo-Fakultät liegt, mit einem Gewehr im Anschlag. Dieser Schlaffsack, das ist doch absurd. Außerdem wird man nicht zum Scharfschützen geboren. Das lernt man, und man muss
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