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Lüge eines Lebens: Stachelmanns vierter Fall (German Edition)

Lüge eines Lebens: Stachelmanns vierter Fall (German Edition)

Titel: Lüge eines Lebens: Stachelmanns vierter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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bald ins Seminar musste. Sollte er den Studenten sagen, dass sie kein weiteres Seminar bei ihm belegen könnten? Eher nicht. Aber dann fiel ihm ein, dass er sich so festlegen würde gegen die eigenen Zweifel. Und eine solche Festlegung wäre eine Schritt nach vorn, er könnte dann nicht mehr zurück. Er müsste nicht mehr so viel darüber nachdenken.
    Ein zweiter Blick auf die Uhr. Er zügelte sich, um nicht zu früh loszugehen. Er mochte nicht im Seminarraum sitzen, bevor das Seminar angefangen hatte. Da hätte er sich seltsam gefühlt. Doch, du wirst das jetzt sagen, und dann wird es überall herumgetratscht werden. Dann gibt es kein Zurück mehr. Die Vorstellung, es gleich öffentlich zu sagen, erleichterte ihn.
    Ein dritter Blick auf die Uhr. So, jetzt konnte er allmählich los. Er schaute noch einmal aufs Dach der WiSo-Fakultät und spürte keine Angst. Nun ließ seine Phantasie auch kein Zielfernrohr mehr blitzen. Nein, er fühlte, die Gefahr war vorüber. Warum eigentlich? Warum sagte ihm sein Unterbewusstsein, dass es vorbei war? Hing es mit seiner Entscheidung zusammen? War der Todesschütze vielleicht zufrieden, dass Stachelmanns Historikerlaufbahn zu Ende ging? Der Gedanke packte ihn und ließ ihn nicht los. Der Mörder hätte ihn leicht umbringen können in den letzten Tagen. Der Polizeischutz war doch Firlefanz. Stachelmann warf der Polizei nicht vor, dass sie hilflos war. Er hätte auch nicht gewusst, was sie anderes tun könnte.
    Aber zurück zu dem Gedanken, dass der Schütze sein Ziel erreicht hatte und deswegen nicht mehr auftauchte. Was war sein Ziel? Wirklich zu verhindern, dass Stachelmann seine Habilschrift veröffentlichte?
    Stachelmann hätte fast einen Studenten angerempelt, als er gedankenverloren zum Seminarraum lief.
    Im Seminar sah er drei unbekannte Gesichter und begriff gleich, dass die beiden Männer und die Frau sehen wollten, was das für einer war, auf den ein Irrer geschossen hatte. Stachelmann überlegte, dann sagte er: »Um jetzt noch ins Seminar einzusteigen, ist es zu spät.« Er schaute die drei an, einen nach dem anderen. Ein langer Hagerer mit einem gestutzten Schnurrbart und einer spitzen Nase. Ein Dicker, rothaarig, Sommersprossen, Lederweste, die Frau schlank, eher klein, verhärmtes Gesicht. Nur die Frau hielt seinem Blick stand. »Sie sind meines Wissens nicht eingetragen für mein Seminar, und deshalb empfände ich es als fair, Sie würden uns in Ruhe arbeiten lassen.«
    Das sind gar keine Studenten. Die sind zu alt. Und irgendwie sehen die aus wie ... wie auch immer. Er schaute wieder zu der Frau, dann sah er, wie der Dicke eine Kamera in der Hand hatte, es blitzte rasend schnell hintereinander. Jetzt begriff Stachelmann, das waren Journalisten. Bestimmt von der Boulevardpresse.
    »Ich habe Ihnen nicht erlaubt, mich zu fotografieren. Geben Sie die Kamera her!« Er staunte, wie energisch er schreien konnte. Der Dicke lachte und eilte aus dem Raum. Die Frau sagte mit Schmeichelstimme: »Sie sind ein tapferer Mann. Wie fühlt man sich denn als jemand, der dem Tod entronnen ist?«
    »Verschwinden Sie, sofort!«, sagte Stachelmann. Fast hätte er seine Studenten gebeten, die beiden Journalisten mit Gewalt rauszuschmeißen. Die Frau grinste dreckig, der Mann erhob sich herausfordernd langsam. Dann gingen sie. Aasgeier.
    Stachelmann setzte sich. »Sie sehen, wie das so ist.« Gleich schalt er sich für diesen nichtssagenden Spruch. »Dieser bemerkenswerte Auftritt, gleich drei Leute, gewissermaßen eine journalistische Kampfgruppe, macht es mir noch leichter, Ihnen zu sagen, was ich Ihnen auch sonst gesagt hätte. Die Dinge haben sich für mich verändert. Weniger weil einer auf mich geschossen hat, sondern weil offenbar wegen einer Lappalie eine Kommilitonin von Ihnen, die an unserem Seminar teilgenommen hat, ermordet worden ist. Was das mit mir zu tun haben soll, weiß ich zwar nicht. Aber dass es etwas mit mir zu tun hat, ist nicht zu bezweifeln, sonst wäre Brigitte Stern nicht in meinem Büro umgebracht worden. Ich will es nicht ausufern lassen, nur noch erwähnen, auch mit meiner Habilitationsschrift hat es Ärger gegeben. Es hat eigentlich wegen allem, was ich hier tue, Ärger gegeben. Mir reicht es. Ich werde am Ende des Semesters die Universität verlassen.«
    Schweigen.
    Er schaute sich um. Die meisten blickten auf die Tischplatte oder an die Wand, aber nicht zu ihm. Die Pummelige mit den schwarzen Haaren kratzte sich am Kopf, dann sagte sie: »Ich wollte Sie

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