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Lüge eines Lebens: Stachelmanns vierter Fall (German Edition)

Lüge eines Lebens: Stachelmanns vierter Fall (German Edition)

Titel: Lüge eines Lebens: Stachelmanns vierter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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fragen, ob ich im kommenden Semester meinen Bachelor bei Ihnen machen kann ...«
    »Tut mir leid«, sagte Stachelmann. »Wirklich.«
    Sonst sagte niemand etwas. »Gut, dann machen wir weiter.« Es war ihm nicht danach, das Seminar ablaufen zu lassen, als wäre nichts gewesen. Und doch musste er es tun. Das Referat der Schönen mit der feinen Narbe auf der Stirn war mäßig, eher schlecht. Und sie trug es miserabel vor. Fahrig, viel zu schnell. Immer wieder schaute sie Stachelmann hilfesuchend an. Aber wie sollte er ihr helfen? Und wenn er es gekonnt hätte, hätte er es nicht gewollt. Er würde ihr den Seminarschein geben, warum sollte er am Ende seiner Unilaufbahn ein Theater veranstalten.
    Die Diskussion kam zunächst nicht in Gang, und nachdem Stachelmann ein paar Fragen eingeworfen hatte, schlich sie müde voran. Wie gut, dass ich das bald hinter mir habe. Präg es dir gut ein, damit du später keine nostalgischen Anwandlungen bekommst.
    Das Seminar dauerte unendlich lang. Er hörte kaum noch zu, was die Teilnehmer sagten. Er dachte an die Festschrift für Kalterer und daran, dass er glaubte, der Mörder werde ihn nicht mehr bedrohen. Der hat erreicht, was er erreichen wollte.

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    15
    Vor seinem Büro stand ein neuer Schreibtischstuhl. Er rollte ihn ins Zimmer und stellte den Ersatzstuhl wieder vor den Schreibtisch. Dann rief er Anne an. Ob sie mit ihm essen gehen wolle.
    »Damit du mir wieder so einen Quatsch erzählst?«
    »Nein, ich hab eine Idee. Ein bisschen spekulativ, ehrlich gesagt sehr spekulativ. Aber nicht so schlecht. Besser als alles jedenfalls, worauf ich bisher hereingefallen bin.«
    »Hast du dir das mit der Uni anders überlegt?«
    »Nein. Aber darüber will ich gar nicht reden mit dir.«
    »Und solltest du tatsächlich diesen Irren finden, überlegst du es dir dann noch einmal anders mit der Uni?«
    Er schwieg eine Weile. »Ich will dich nicht veräppeln, aber die Uni habe ich im Geist schon hinter mich gebracht. Heute im Seminar, du hättest erleben sollen, wie zähflüssig es war. Das Grauen.«
    »Du wirst dich danach zurücksehnen, wenn du tatsächlich aufhörst. Glaubst du, Hartz IV ist unterhaltsam?«
    »Nein, Hartz IV ist Lug und Trug. Aber ich habe sogar schon eine Idee, was ich machen werde.«
    »Und?«
    »Nur wenn du mit mir essen gehst.«
    »Ich sehe, du planst eine Karriere als Erpresser. In diesem Job wärst du spitze.«
    »Schön, dass du mir wenigstens das zutraust.«
    »Ich traue dir eine Menge zu, nur ob das alles schmeichelhaft ist ...«
    »Also, ich zahle, und du kommst. Noch kann ich es mir leisten.«
    Sie willigte ein. Beim Vietnamesen, ganz in der Nähe ihrer Wohnung.
    Bis dahin wollte er noch recherchieren. Er gab Gerhard Kalterer in eine Suchmaschine ein und erhielt ein paar hundert Treffer. Er sah die Ergebnislisten durch, fand aber nichts, das ihn interessiert hätte. Dieser Historiker schien keine Größe gewesen zu sein. Aber er hatte diesen Namen schon mal gelesen. Wo? Er überlegte eine Weile, dann fiel es ihm ein: in der eigenen Arbeit. Er lachte laut. So betriebsblind war er schon, dass er sich gar nicht mehr an das erinnerte, was er verwertet hatte in der Habilschrift. Aber so erstaunlich fand er es dann doch nicht, schließlich saß er seit Jahren daran, und da konnte man leicht etwas vergessen bei Tausenden von Namen, die er in der Arbeit erwähnte.
    Er öffnete die Datei und gab als Suchbegriff den Namen ein. Natürlich, in einer Fußnote, eingerahmt von anderen Namen, war die Rede von einem Gerhard Kalterer. Er und die anderen Historiker, die in der Fußnote genannt waren, hatten unter anderem Gutachten verfasst für Dienststellen des Dritten Reichs. Einer von vielen. Das ist übel, aber nichts Neues. Er entsann sich, Aufsätze gelesen zu haben über die historische Rechtfertigung der deutschen Expansion nach Osten.
    Diesen Unsinn hatte es schon vor den Nazis gegeben, allerdings nicht so stark angereichert mit Rassismus. Alles nicht sonderlich aufregend, warum sollten die Historiker der Nazizeit bessere Menschen gewesen sein als andere Wissenschaftler? Und wer konnte sich heute noch so aufregen über die Enthüllungen der Herrenmenschenidiotien eines längst begrabenen Historikers, dass er sich ein Gewehr beschaffte und Leute erschoss? Nein, das ist absurd. Niemand käme auf diese Idee.
    Er wiederholte im Kopf, was er sich gerade zusammenreimte. Du hast einen Namen auf einem Buchrücken erkannt in Bohmings Zimmer. Es ist der Name eines Historikers, der

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