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Lüge eines Lebens: Stachelmanns vierter Fall (German Edition)

Lüge eines Lebens: Stachelmanns vierter Fall (German Edition)

Titel: Lüge eines Lebens: Stachelmanns vierter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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wüsste, warum, wenn man nicht unterstellte, Langeweile sei ihr Hobby.
    »Ich will nicht mehr«, flüsterte er fast. Eindringlich.
    »Du bist wie ein Kind. Ich will nicht mehr, ich mag nicht mehr. Was glaubst du, was ich alles nicht mag und dennoch ertragen muss?« Sie war laut geworden, erschrak, dann sagte sie leise: »Bei dir angefangen.«
    »Wenn du was zu meckern hast, sag's gleich. Es kommt auch nicht mehr drauf an.«
    »Du bist komisch, Josef. Bei manchen Fragen kannst du dich nicht durchringen zu einer Entscheidung. Aber bei dieser Geschichte brichst du es übers Knie. Ruckzuck, erledigt. Uni tschüs, ganz egal, was kommt. Wenn du deinen Vertrag nicht verlängerst, bist du für immer draußen. Dann kannst du deine Habil in den Wind schießen. Mein Gott, jahrelang hast du dich geplagt. Und nun weg damit.«
    Sie verstand ihn nicht. Nicht, dass er die Habilitation hasste, weil er sie nicht trennen konnte vom Mord an Brigitte und den Schüssen im Von-Melle-Park. Sie war in seinem Büro abgeschlachtet worden. Und immer wenn er das Zimmer betrat, meldete sich der Brechreiz. Gut, sie könnten ihm ein anderes Büro besorgen. Aber er würde die Sache nie loswerden. In jedem Seminar würde er sich fragen, wo Brigitte säße. Ohne seine Habilitation wäre sie noch am Leben, hätte es die Internetkampagne nicht gegeben und alles andere auch nicht. Wie konnte er da weitermachen, als wäre nichts geschehen? War Anne so kalt, dass sie das nicht begriff?
    »Du bist eiskalt«, sagte er.
    Sie schaute ihn erschrocken an. Dann nickte sie. »Gut, du magst das so sehen. Aber ich finde mich nicht kalt, sondern vernünftig. Ich will verhindern, dass du in dein Unglück rennst.«
    »Man kann nicht in etwas hineinrennen, worin man schon ist.«
    Sie zog die Schultern hoch und stöhnte leise.
    Der Kellner kam mit den Getränken.
    Stachelmann trank einen Schluck.
    »Und was willst du in der Zeit machen, bis du dich ins Unglück stürzt?«
    »Ich führe mein Seminar zu Ende, das ist klar. Und ich werde mir mal alle Publikationen von Bohming genau anschauen. Die habe ich früher nur überflogen. Eigentlich weiß ich gar nicht so richtig, mit wem ich es zu tun habe. Bei ihm im Regal steht zum Beispiel diese Festschrift für Kalterer, wir haben darüber gesprochen. Der Kalterer war ein Nazi und hat auch nach 1945 fröhlich mitgemischt in der Geschichtswissenschaft. Ein unbedeutender Wissenschaftler, aber mit braunen Flecken auf dem Hemd. Doch das war den Leuten egal. Und Bohming wahrscheinlich auch. In meiner Arbeit wird er angeführt als typisches Beispiel für einen Nazihistoriker, der nach dem Krieg das Gedächtnis verloren hat. Wenn Bohming irgendwas mit dem Kalterer zu tun hatte, dann ergibt sich doch eine ... bemerkenswerte ... Konstellation. Ja, nennen wir es mal Konstellation.«
    »Du spinnst.« Sie schüttelte heftig den Kopf. »Bohming legt sich aufs Dach der WiSo-Fak und ballert herum. Ganz bestimmt.«
    Er versuchte wieder, es sich vorzustellen. »Nein, das gewiss nicht. Er könnte kaum unerkannt aufs Dach klettern. Jedenfalls müsste er damit rechnen, dass ihn jemand sieht. Er hat nicht die körperliche Statur, unsportlicher geht's kaum. Ob er schießen kann, wage ich zu bezweifeln. So ein Militärgewehr wiegt einiges und hat einen heftigen Rückstoß, das G3 jedenfalls. Und davon abgesehen, warum sollte er es tun?«
    »Auch wenn ich mir jetzt widerspreche«, sagte sie. Dann überlegte sie. »Er hätte vielleicht ein Motiv. Wenn du ihn in deiner Arbeit bloßstellst. Nichts würde er mehr hassen als das, er ist ja unerträglich eitel.«
    »Dieser Gedanke ist mir auch schon im Kopf herumgespukt.« War er das? Vielleicht, in Umrissen, doch nicht in dieser Klarheit. »Wenn ich ihn bloßgestellt habe, aus Versehen, dann könnte sich ein Motiv ergeben. Aber auch nicht mehr. Wie viele Leute ärgern sich, ohne gleich zur Knarre zu greifen!«
    »Aber du willst dich doch sowieso mit ihm beschäftigen. Das tust du doch nicht nur zum Zeitvertreib, sondern weil du etwas witterst.«
    »Wauwau«, kläffte er.
    Dem Kellner wären fast die Teller aus der Hand gefallen. Sie musste lachen. Der Vietnamese stellte die Teller auf den Tisch, starrte Stachelmann an, als erwarte er, wieder angebellt zu werden. Anne verfolgte die Szene und begann wieder zu lachen. »Du bist total verrückt. In jeder Hinsicht.« Sie prustete. »Das muss der Grund sein, warum ich dich liebe.«
    Er hatte halbherzig mitgelacht, dann verstummte er. Wie lange hatte sie ihm

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