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Lüge eines Lebens: Stachelmanns vierter Fall (German Edition)

Lüge eines Lebens: Stachelmanns vierter Fall (German Edition)

Titel: Lüge eines Lebens: Stachelmanns vierter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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hätte tun müssen: herausbekommen, was Bohming für einer war. Und wenn es nur ergab, dass er auch das letzte bisschen Achtung vor dem Sagenhaften verlor. Ein Grund mehr, die Universität zu verlassen. Und nicht an eine andere zu gehen. Denn auch der Betrieb ging ihm auf die Nerven, die Lügen, die Heuchelei, die Missgunst. Mochte bei Bohming ein krasses Missverhältnis herrschen zwischen Leistung und Laufbahn, die karrieregeilen Wichtigtuer gab es überall, die Beeindrucker, die gedrechselt daherredeten, aber doch nach kurzer Zeit zu durchschauen waren. Aber warum durchschaute sie kaum jemand?
    Er hielt vor dem Haus der Mutter und brachte sie hinein.
    »Ich muss jetzt«, sagte er. In seinem Hirn quälte ihn der Gedanke, er würde besser bleiben und noch mit ihr sprechen. Vielleicht sogar herausbekommen, wie es ihr wirklich ging.
    »Ja, natürlich. Du hast viel Zeit geopfert, danke.«
    Als er im Auto saß, fühlte er sich mies. Er startete und fuhr los. Die Niedergeschlagenheit beherrschte ihn, bis er die A 1 nach Lübeck erreicht hatte. Dann aber packte ihn die Neugier. Was stand in Brigittes Dateien?
    Zu Hause stürzte er an den PC, klopfte auf den Schreibtisch, während der Computer hochfuhr, und dann rief er die Mails ab. Sofort sah er Georgies Mail, daran angehängt die Dateien.
    Er öffnete die erste und überflog, was dort stand. Biographische Angaben zu Hamm. Universität Königsberg, dann Köln. Da hatte Bohming promoviert und sich habilitiert. Aber dass Hamm Bohmings Arbeiten betreut hatte, sagte erst einmal nichts außer der Tatsache selbst. Nach der Vita Hamms folgten Angaben zu Bohmings Werdegang. Verheiratet seit 1974. Ein Sohn, geboren 1982. Bohmings Frau hatte Stachelmann einmal gesehen auf einem Empfang. Sonst hatte er bisher nichts erfahren von Bohmings Leben. Aber es wunderte ihn nicht, das kannte keiner an der Uni, und es interessierte nicht einmal Renate Breuer. Ein Mann, der so langweilig war wie Bohming, konnte kein aufregendes Leben haben.
    In der zweiten Datei Zitate von Donald Hamm, das jedenfalls entnahm Stachelmann der Abkürzung D. H., die jeweils darunter stand. Es ging um Polen unter deutscher Besatzung im letzten Krieg:

    Erstes Erfordernis ist die klare Abgrenzung von polnischem und deutschem Volkstum, die die Gefahren völkischer und rassischer Vermischung und der Unterwanderung vermeidet.
    Bevölkerungsverschiebungen allergrößten Ausmaßes ...
    Generalvollmacht für den Staat zur Einziehung von ländlichem und städtischem Grundbesitz aus polnischer Hand.
    Herauslösung des Judentums aus den polnischen Städten ...
    Die Entjudung Restpolens und der Aufbau einer gesunden Volksordnung ...
    Einnistung des Judentums in die Risse und Hohlräume eines aus rassischen Gründen unstimmig gewordenen Gefüges.

    Einzelne Begriffe:

    Judenballung
    Verjudungsprozess
    Judensättigungsgrad
    Judentypen

    Darunter eine Notiz:

    Hamm fördert Bohming. Warum? Bohmings Diss. absurd, aber s. c. l. Bohm. fragen. Öffentlich? Oder erst unter 4 Augen? Kein Skandal ohne Beweise.
    Bohming zitiert Hamm, aber nicht dessen Arbeiten 39–45.

    Darunter ein Strich und ein Satz:

    St. hinweisen auf Hamm-Fußnote. Nichtssagend.

    Brigitte war tot, aber sie war ihm immer noch voraus. Sie hatte offenbar die Absicht gehabt, Bohming nach seiner Beziehung zu Hamm zu fragen. Und sie wollte Stachelmann darauf hinweisen, dass er sich mit Hamm beschäftigen und den nicht nur in einer Fußnote abhandeln sollte. Nur, wie hätte sie es tun sollen, ohne zu verraten, dass sie sich eine Kopie seiner Habilschrift besorgt hatte? Leider konnte sie ihm diese Frage nicht mehr beantworten.
    Er lehnte sich zurück und staunte. Das, was sich in seinem Kopf zusammenbraute, war unglaublich. Trotzdem, brachte er die Indizien in den einzig möglichen Zusammenhang, dann hatte Brigitte Bohming gestellt, und sie wurde danach ermordet. Im Historischen Seminar. In Stachelmanns Büro. Das war ein Wink mit dem Zaunpfahl. Nur, mit was hatte sie Bohming angegriffen? Er konnte doch nichts dafür, dass Hamm Nazi gewesen war. Und gewiss nach 1945 alles verschwiegen hatte, was ihn hätte belasten können. Womöglich wusste Bohming nicht einmal von Hamms wirklicher Vergangenheit.
    Wenn man aber unterstellte, er hätte es gewusst und Brigitte hätte ihn befragt, und wenn man ebenfalls unterstellte, dass Brigittes Mörder dieselbe Person wäre wie der Schütze vom Von-Melle-Park, dann war Bohming der Erste, den er verdächtigen musste. Aber Bohming war

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