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Lüge eines Lebens: Stachelmanns vierter Fall (German Edition)

Lüge eines Lebens: Stachelmanns vierter Fall (German Edition)

Titel: Lüge eines Lebens: Stachelmanns vierter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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ihm fast schon unwirklich vor. Es muss eine besondere Beziehung geherrscht haben zwischen Hamm und Bohming, sonst wäre dessen Promotion unerklärlich. Es gibt keinen Zweifel, Bohmings erster Karriereschritt hatte nichts zu tun mit einer wissenschaftlichen Leistung. Womit dann?

    Darüber dachte er noch am Sonntagnachmittag nach, als er nach Reinbek fuhr. Die Mutter war bleich im Gesicht, aber sie behauptete, es gehe ihr gut. Stachelmann war unruhig, er lief im Haus umher, und dann wusste er, warum. Er befand sich vielleicht schon zum letzten Mal in dem Haus, in dem er aufgewachsen war. Auf der Kommode im Wohnzimmer stand ein Bild des Vaters, schwarz umrandet. Stachelmann stellte ihn sich in SA-Uniform vor, die Hakenkreuzbinde am Oberarm. Sei gerecht, dachte er. Nach dem Krieg war er kein Nazi mehr gewesen. Aber er hatte sich nicht befreien können aus der geistigen Gefangenschaft der braunen Jahre. Der Versailler Vertrag, der damals ohne den Zusatz »Schmach« nicht genannt wurde, das Elend der Wirtschaftskrise und der Aufstieg Deutschlands in den ersten Hitler-Jahren, ja, so empfanden es fast alle damals, das hatte den Vater geprägt. Und es war zu einfach, die Gefühle der Niedergeschlagenheit, der Ausweglosigkeit und dann des unverhofften Aufschwungs abzutun. In der Krise hatten sich viele umgebracht, weil sie es nicht mehr aushielten, weil es ihnen unvorstellbar erschien, dass das Leben nicht nur Not war, sondern auch Hoffnung sein konnte.
    Er stieg die Treppe hoch in den ersten Stock und öffnete die Tür seines ehemaligen Zimmers. Es wurde schon lange als Gästezimmer benutzt, also fast gar nicht. Er schloss die Augen und überlegte, wie es ausgesehen hatte. Der kleine Schreibtisch mit der Klarlackplatte unterm Fenster. Meistens bedeckt mit Papier, Heften, Büchern, Stiften, auch wenn die Mutter nicht nachließ, ihn zur Ordnung zu ermahnen. An der Wand ein paar Bilder. Tiere erst, dann Indianer, schließlich Rockgrößen der Zeit. Auf dem Bett hatte eine bunte Decke gelegen, darauf zwei Kissen, rot und blau. Das kleine Zimmer war sein Reich gewesen, und die Eltern hatten es respektiert, bis die Mutter fand, dass die Unordnung überhand nahm. Der erste Mädchenbesuch. Er musste grinsen. Damals hatte er sich fast schon so dumm angestellt wie heute. Ob die Jugendlichen immer noch so unsicher waren wie er damals? Wie war das bei Brigitte gewesen?
    Als er an Brigitte dachte, überfiel ihn eine Idee. Er fand das Handy in seiner Hosentasche und wählte die Nummer von Georgie.
    »Dich gibt's also auch noch.«
    Stachelmann zögerte, aber dann überhörte er den Vorwurf. »Klar. Gibt es eigentlich eine Sicherheitskopie der Daten in Brigittes PC?«
    »Ja, nicht superaktuell, aber hin und wieder konnte ich sie überzeugen, ihre Dateien auf einer externen Festplatte zu sichern.«
    »Ist die auch bei der Polizei?«
    »Nee«, sagte Georgie breit. Stachelmann stellte sich vor, wie Georgie grinste. »Wir haben uns die Festplatte geteilt. Als die Bullen das ganze Zeug abgeschleppt haben, war die Platte in meinem Zimmer. Rein zufällig natürlich.«
    Stachelmann fragte nicht, ob Georgie die Platte in sein Zimmer geschafft hatte, als die Polizei kam. »Natürlich. Kannst du nachsehen, ob es in ihren Dateien irgendwas gibt, das mit einem Donald Hamm zu tun hat?«
    »Mit wem?«
    »Donald Hamm.«
    »Also für Mickey-Maus-Hefte hat sie sich wirklich nicht interessiert.«
    »Das ist ein Historiker.«
    »Hm.«
    »Vielleicht tust du mir den Gefallen und lässt einfach das Suchprogramm laufen. Dateiname: keiner, Stichwort: Hamm oder Donald. Und wenn du fertig bist, rufst du mich an.«
    »Jawohl, mein General!«
    Stachelmann lachte kurz, und Georgie schnaufte, dann legte er auf. Natürlich würde er in Windeseile nach Dateien suchen, in denen die Stichworte standen.
    Stachelmann stieg die Treppe hinunter, die Mutter saß im Wohnzimmer. Er überlegte, ob er sie fragen sollte, wie sie es empfand, bald auszuziehen. Aber er wusste nicht, wie stark es sie schmerzen würde, und so schwieg er.
    »Willst du einen Tee?«
    »Ja, danke.«
    Er setzte sich ihr gegenüber auf einen Sessel. Sie schenkte ein, er trank.
    »Wann müssen wir los?«
    »Wann du willst.«
    Das Handy klingelte.
    »Ich habe zwei Textdateien gefunden, in denen diese Comic-Figur auftaucht«, sagte Georgie. Stachelmann hörte, dass Georgie aufgeregt war.
    »Und was steht drin?«
    »Irgendein Nazizeug, hab's noch nicht richtig gelesen. Ich hänge die Dateien an eine Mail und schicke

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