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Lüge eines Lebens: Stachelmanns vierter Fall (German Edition)

Lüge eines Lebens: Stachelmanns vierter Fall (German Edition)

Titel: Lüge eines Lebens: Stachelmanns vierter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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Cordhose. Unter dem Stoff schienen sich kräftige Muskeln zu verbergen. Hoffentlich machen die Jungs draußen keinen Quatsch. Je näher der Augenblick rückte, desto aufgeregter wurde Stachelmann. Es fiel ihm schwer, sich zu konzentrieren auf das Gespräch.
    »Über den Antifaschismus wird nur noch gelogen«, sagte Kraft fast beiläufig, als müsste man darüber nicht streiten.
    »Viel«, sagte Stachelmann. »Viel gelogen. Und Sie gehören zu denen, die nicht die Wahrheit sagen, wenn ich mich an unser letztes Gespräch erinnere. Einer der führenden KPD-Leute in Buchenwald landete in Sibirien und kam nicht mehr zurück. Ist doch ein schönes Leben. Erst sperren einen die Nazis ein, dann geben einem die Sowjets den Rest. Praktizierter Antifaschismus, ungefähr in der gleichen Preislage wie die Auslieferung eigener Genossen an die Nazis während des Hitler-Stalin-Pakts. Oder Stalins Wunsch, Thälmann nicht aus der Haft zu befreien, was möglich gewesen wäre in dieser Zeit.«
    »Ja, ja.« Kraft grinste. »Der Thälmann kommt Ihresgleichen ganz recht, wenn er dazu dienen kann, die Sowjetunion zu verleumden. Aber wenn es um den Antifaschismus geht, dann schüttet ihr kübelweise Dreck auf den Mann. Mal so, mal so, wie es beliebt.«
    Stachelmann schaute insgeheim auf die Uhr. Ein wenig musste er noch durchhalten. Er schwitzte, aber das gefiel ihm jetzt. So würde alles noch glaubwürdiger. Er musste den Mann ärgern, seine Nerven belasten. »Ich glaube, Sie sind nicht ganz unschuldig an Brigittes Tod.«
    Kraft starrte ihn an. »Unverschämtheit!«, schnaubte er. »Sie kommen hierher, um zu diskutieren, sagten Sie. In Wahrheit wollen Sie mich verleumden.« Er hielt einen Augenblick inne, verdrehte die Augen, atmete schwer ein und aus. »Sie hat mich geliebt!«, brach es aus ihm heraus. »Wie einen Vater.«
    »Und Sie, haben Sie sie auch geliebt wie ein Vater? Oder wollten Sie ihr an die Wäsche?« Den Satz hatte er sich schon im Aufzug zurechtgelegt. Das würde Kraft empören, oder er würde sich empört geben müssen. Ob Stachelmann es auseinander halten konnte?
    »Sie haben eine perverse Phantasie. Es ist gut, dass ich Ihr wahres Gesicht sehe. Sie haben ihr den Kopf« – er suchte ein Wort, atmete schwer, schwitzte – »verdreht, sie auf blödsinnige Ideen gebracht. Sie wollten aus diesem wunderbaren Mädchen« – wie seltsam hörte sich das Wort »wunderbar« aus diesem Mund an – »ein, wie nennt man das, Groupie machen. Jawohl, ich weiß davon. Ich habe Sie durchschaut.« Speichel sprühte bis zu Stachelmann. Der schaute auf die Uhr. Kraft lehnte sich nach vorn, die Ellbogen stützten sich auf die Armlehnen des Rollstuhls, er öffnete den Mund, ein Speichelfaden hing im Mundwinkel, da brach ein Klingeln los, lauter als das Pausenschellen in der Schule, metallischer als jede Türklingel, und kurz darauf mischte sich das Geheul einer Sirene in das Lautinferno.
    Kraft fuhr zusammen. Und Stachelmann begann seine Show, damit Kraft gar nicht erst auf die Idee kam, ihm würde geholfen bei seiner Flucht. Stachelmann stöhnte auf und warf sich auf den Boden, die Hände auf der Brust, am Herzen. Kraft sah hinunter zu Stachelmann, als draußen ein Megaphon ertönte: »Hier spricht die Feuerwehr. Feueralarm! Verlassen Sie zügig das Gebäude. Benutzen Sie die Notausgänge. Benutzen Sie nicht die Aufzüge.«
    Kraft schaute sich hektisch um, als wollte er prüfen, was er mitnehmen müsste. Dann sprang er aus dem Rollstuhl, hastete in drei Schritten zu seinem Schreibtisch, riss Schubladen auf, entnahm ihnen etwas, stopfte es in die Hosentaschen und stürzte aus der Wohnung.
    Stachelmann setzte sich auf den Fußboden, zog das Handy aus der Tasche, drückte eine Kurzwahltaste, wartete, bis das Gespräch angenommen wurde, und sagte dann: »Georgie, er ist es.« Nie war Stachelmann fester von etwas überzeugt als davon in diesem Augenblick. Dann wählte er eine andere Nummer und sagte: »Herr Taut, wir haben ihn.«
    »Wen?« Taut war verdattert. »Und was ist das für ein Lärm?« Gerade als er es sagte, brach Stille an. Schlagartig.
    »Dieser Manfred Kraft hat Brigitte Stern ermordet. Kommen Sie schnell.«

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    11
    Georgie, Frankie und Halil hatten Kraft gleich vor der Eingangstür aus der Menge herausgegriffen, die aus dem Haus herausgeströmt war. Dann hatte Georgie ins Megaphon gebrüllt, es sei ein Fehlalarm gewesen. Die Feuerwehr entschuldige sich und bitte die Hausbewohner, wieder in ihre Wohnungen zurückzukehren.

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