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Lüge eines Lebens: Stachelmanns vierter Fall (German Edition)

Lüge eines Lebens: Stachelmanns vierter Fall (German Edition)

Titel: Lüge eines Lebens: Stachelmanns vierter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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gewesen, die nur aufkommen konnte, weil sie unbedingt etwas tun wollten. Weil sie keine Lust gehabt hatten, zu Hause Trübsal zu blasen. Stachelmann erklärte den anderen seinen Plan. Erst las er Staunen in den Gesichtern, dann begannen sie zu grinsen.
    »Alle Achtung!«, sagte Georgie. »Ganz schön dreist. Hätte von mir stammen können.«
    Stachelmann musste nicht fragen, sie waren einverstanden. Er wählte auf dem Handy Krafts Nummer, der nahm nach dem ersten Klingel ton ab, hörte zu und sagte: »Das gibt es ja selten, dass jemand ein Versprechen hält. Auch wenn Ihr Besuch mich ein bisschen überrascht. Normalerweise räume ich auf, bevor ich Besuch bekomme. Aber wenn Sie die Unordnung übersehen könnten, dann erwarte ich Sie.«
    Stachelmann beschwichtigte ihn und ging los. Die Haustür öffnete sich sofort, und als der immer noch nach Urin stinkende Aufzug ihn in die elfte Etage gebracht hatte, sah er die Tür angelehnt. Wie beim letzten Mal. Stachelmann spürte Angst. Und wenn der ihn nun auch beseitigte? Grund genug könnte er haben in seinem verrückten Hirn. Er musste sich absichern.
    Kraft erwartete ihn im Wohnzimmer. Schon im Flur stank es nach Tabak. Zeitungsseiten lagen verstreut auf dem Boden. Kraft saß im Rollstuhl und lächelte.
    »Na, dann kommen Sie mal rein.« Er zeigte auf den Sessel. »Ein Bier?«
    Stachelmann setzte sich und nickte. »Gern, danke.« Er mochte kein Bier, aber hier würde er eines trinken. Konnte er sich wenigstens an der Flasche festhalten.
    Kraft rollte sich mit kräftigen Oberarmen aus dem Wohnzimmer, dann hörte Stachelmann die Tür des Kühlschranks. Eine Schublade wurde geöffnet und geschlossen, Kraft rollte wieder ins Wohnzimmer. Er machte einen routinierten Eindruck als Rollstuhlfahrer. Aber die Übung konnte man auch erwerben, wenn man nicht behindert war.
    »Sie sind also eine Koryphäe im Antifaschismus«, sagte Stachelmann. Ihn reizte es, den Mann zu provozieren. Bevor Kraft antworten konnte, nahm er das Handy aus der Tasche und rief Anne an. »Kann ich heute Abend bei dir übernachten? Ich bin noch in Steilshoop, bei Manfred Kraft, wird ein bisschen spät, um nach Hause zu fahren.«
    »Warum fragst du? Natürlich«, sagte sie verwundert.
    »Danke, bis nachher.« Jetzt fühlte er sich sicherer.
    Kraft hatte zugehört, ohne eine Miene zu verziehen. Als Stachelmann fertig telefoniert hatte, sagte er: »Gut, dass Sie gekommen sind. Ich hoffe, Sie bereuen Ihre Verunglimpfungen inzwischen.«
    »Was für Verunglimpfungen?«
    Kraft lächelte, wohl um Überlegenheit anzudeuten.
    Stachelmann spürte Aufregung, er begann zu schwitzen und hoffte, dass Kraft es nicht merkte.
    »Geht es Ihnen nicht gut?«
    Stachelmann sah Mitleid in Krafts Gesicht. Und er hätte wetten können, dass es diesen Ausdruck in diesem Gesicht nicht geben könnte.
    »Doch, doch.«
    Kraft schaute ungläubig, dann sagte er: »Ich finde ja auch nicht alles gut, was die KPD und Thälmann vor dreiunddreißig angestellt haben. Aber das ist leicht, sich im Nachhinein zum Richter aufzuschwingen. Die Kommunisten waren die konsequenteste antifaschistische Kraft, innerhalb und außerhalb der Lager.«
    »Ausgenommen die Zeit vom August 1939 bis zum Juni 1941, als Hitler und Stalin auf Freundschaft machten. Da galt auch den deutschen Kommunisten England als der Hauptfeind. Erst als die Wehrmacht die Sowjetunion überfiel, entdeckten die Kommunisten den Antifaschismus wieder.«
    »Stalin musste Zeit gewinnen. Und die Kommunisten mussten die Sowjetunion schützen. Das werden Sie nie begreifen. Manchmal muss man einen Pakt mit dem Teufel schließen, um den am Ende am Schwanz zu packen.«
    »Das sind doch Ammenmärchen, die davon profitieren, dass Hitler den Vertrag mit Stalin gebrochen hat. Und selbst wenn man mal unterstellt, Sie hätten Recht mit Ihren Annahmen, dann gilt aber auch, dass Thälmanns KPD nichts anderes war als ein Werkzeug der sowjetischen Kommunisten. Die KPD war überhaupt nicht mehr in der Lage, eine eigenständige Politik zu entwickeln, sie war ferngelenkt bis ins Detail.«
    Kraft grinste. »Sie halten Vorträge. Ich dachte, Sie wollen hören, was ich zum Faschismus und Antifaschismus zu sagen habe?«
    »Die Letzte, die das wollte, war Brigitte Stern.« Stachelmann war es herausgerutscht.
    Kraft wiegte seinen Kopf, das Gesicht trug nun Trauer. Der Mann konnte die Mimik wechseln wie ein Grimassenschneider. Der lügt schon, wenn er guckt. Stachelmann warf einen Blick auf Krafts Beine. Er trug eine

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