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Lüge eines Lebens: Stachelmanns vierter Fall (German Edition)

Lüge eines Lebens: Stachelmanns vierter Fall (German Edition)

Titel: Lüge eines Lebens: Stachelmanns vierter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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Stachelmann nie schlau werden. Dieser Polizist ließ niemanden an sich heran, Ossi hatte das irgendwann mal gesagt. Aber den konnte Stachelmann nicht mehr fragen, was hinter dem Sinneswandel des Kriminalrats steckte. Am Ende war es auch egal.
    Es dauerte eine Weile, bis er ein Taxi heranwinken konnte. Er ließ sich zum Präsidium fahren. Er kannte den Weg zur Mordkommission. Dort stieß er endlich auf den Beamten, mit dem er telefoniert hatte. Der Mann war mittelgroß und ohne Merkmale. Er hätte ihn nicht beschreiben können. Ohren wie jeder, eine Nase wie jeder, kein rundes oder längliches Gesicht, höchstens ein flaumiger Schnurrbart fiel auf und die Tatsache, dass der Mann jung war. Der Polizist führte ihn nach respektvoller Begrüßung – immerhin kannte dieser Kerl den Chef recht gut – in einen Raum, der durch eine Glasscheibe getrennt war von einem anderen Raum. Der Polizist erklärte ihm, aus dem anderen Raum könne man nicht durch die Scheibe gucken, sodass Stachelmann ungestört dem Verhör folgen könne.
    In dem anderen Raum saß Kraft an einem Tisch und rauchte. Taut hatte sich an die Wand gelehnt, Oberkommissar Kurz saß Kraft gegenüber. Zwischen Kraft und Kurz stand ein Tonbandgerät, das Mikrofon wies auf Kraft. Ein Lautsprecher übertrug die Geräusche aus dem Verhörzimmer. Stachelmann hörte es nur husten, Kraft hatte sich offenbar verschluckt.
    »Kann ich was zu trinken haben?«
    »Später«, sagte Kurz.
    »Das ist Folter. Ich halte es hiermit auf dem Band fest und will, dass das ins Protokoll kommt.«
    »Sie gucken zu viel Fernsehen«, sagte Kurz. »Das Protokoll schreibe ich. Und Sie werden es unterschreiben. Und wenn nicht, ist es mir auch egal.«
    Taut schien sich nicht zu interessieren für das Verhör. Er hatte die Augen geschlossen, als würde er schlafen. Aber Stachelmann wusste, der Kriminalrat war hellwach, hörte genau zu, um Widersprüche zu erkennen oder Punkte, an denen es sich lohnte nachzuhaken.
    »Ihr Alibi. Davon haben Sie vorhin gesprochen. Sie haben also ein Alibi. Sie wollen zur Tatzeit woanders gewesen sein. Wenn Sie mir jetzt noch verraten, wo und wer Sie dort gesehen hat, dann könnten Sie nach Hause gehen, wenn sich herausstellt, dass Ihr Alibi stimmt.«
    Stachelmann hörte fast sein Herz schlagen. Wenn Kraft ein Alibi hatte? Wenn alles umsonst gewesen war? Wenn er sich lächerlich gemacht hatte? Wenn er verantwortlich dafür war, dass ein Unschuldiger verhaftet und verhört wurde? Er schaute sich Kraft genau an. Welchen Eindruck machte er? Er schien den Schrecken überwunden zu haben. Stachelmann wusste nicht, was Kraft über die Rollstuhltäuschung gesagt hatte. Diese Lüge konnte ihm nachgewiesen werden. Aber es war nicht strafbar, einen Rollstuhl zu benutzen.
    In diesem Augenblick fiel ihm seine Mutter ein. Sie war schwach geworden in letzter Zeit, und gewiss quälte sie die Angst, der Krebs könnte zurückkehren. Natürlich litt sie, weil sie in ein Altersheim ging. Was sie nur tat, weil sie es allein nicht mehr schaffte. Darüber musste er mit ihr bald reden.
    »Das Alibi«, sagte Kurz. »Wissen Sie, ich habe auch keine Lust, hier herumzusitzen, weil Sie nicht herausrücken, wo Sie waren, als Frau Stern ermordet wurde. Begreifen Sie doch, Sie sind der Hauptverdächtige. Wenn wir Sie vor den Haftrichter bringen, bleiben Sie in Haft. Das geht blitzschnell. Und zwar so lange, bis Sie ein lupenreines Alibi haben oder verurteilt werden. Das kann dauern.«
    Kraft grinste. Er strahlte eine Selbstsicherheit aus, die an Unverschämtheit grenzte. Stachelmann mochte es nicht glauben, aber er begann zu fürchten, dass Kraft das Verhör genoss und es in die Länge ziehen wollte, um am Ende die Wahrheit aufzutischen, wie ein Clownskopf aus der Schachtel springt, mit diabolischem Gelächter.
    Taut verließ den Raum fast unmerklich, was Stachelmann diesem schweren Mann nicht zugetraut hätte. Er kam zu Stachelmann. »Tut mir leid, dass ich erst abgelehnt hatte. Aber ich ahnte, Sie würden sich melden.« Er lächelte.
    »Wie sieht es aus?«, fragte Stachelmann.
    »Wenn ich das wüsste. Das ist ein zäher Kerl. Er verbirgt irgendetwas. Dieses Gerede vom Alibi sollte Sie nicht verwirren. Das versucht fast jeder. Insofern läuft es ziemlich normal. Doch da ist irgendetwas, ich rieche das. Er ist mir ein Stück zu selbstsicher. Am Anfang wirkte der Schock der Festnahme und natürlich auch, dass er als Lügner entlarvt worden ist. Diese Rollstuhlgeschichte ist ihm peinlich.

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