Luegen auf Albanisch
dich direkt an«, sagte Lula.
»Soll er mir doch direkt in den Arsch schauen«, sagte Genti. »He, Boss, was liegt an?« Genti wechselte ins Albanische, machte aber hauptsächlich Geräusche, summte und schnalzte mit der Zunge in der internationalen Sprache, die »zu dumm«, »nicht gut«, »wir haben ein Problem« bedeutete. »Okay, keine Bange, Boss, alles wird gut.«
»Hat er aus dem Gefängnis angerufen?«, fragte Lula. »Ich dachte, man dürfe nur einen Anruf machen.«
»Geld funktioniert überall«, sagte Genti. »Aber bloß bis zu einem gewissen Grad. Der Boss sagt, es sieht nicht so gut aus. Neue Anklagepunkte, neue Beweise. Sie versuchen ihm jeden unaufgeklärten Einbruch in New York und im nördlichen Jersey anzuhängen. Wir müssen dich um einen letzten winzigen Gefallen bitten, kleine Schwester. Wir wissen, dass du einen guten Anwalt hast. Einen, der dir das Arbeitsvisum über Nacht besorgt hat.«
»Nicht über Nacht«, sagte Lula.
»Doch, über Nacht«, beharrte Genti. »Wir erinnern uns, dass du beim ersten Mal mit diesem juristischen Genie angegeben hast. Der Boss fragt sich also jetzt, ob du mit dem Burschen sprechen könntest. Ihn dazu bringen könntest, ein paar Fäden zu ziehen. Wir würden dich nie darum bitten, wenn es nicht um Leben und Tod ginge.«
Lula sagte: »Mein Anwalt hat mit Einwanderung zu tun. Das ist ein vollkommen anderes Gebiet.«
»Anwälte kennen Anwälte«, sagte Genti. »Genau wie Leute andere Leute kennen. Verwandtschaftsmuster, ja?«
»Verwandtschaftsmuster?«
»Ich habe einen Einführungskurs in Anthropologie am LaGuardia Community College belegt.«
»Als Weiterbildung?«, fragte Lula. »He, pass auf! Du hast den Kerl da geschnitten!«
»Ich hab den dämlichen Drecksack gesehen«, sagte Genti beim Ausweichen. »Noch was. Der Boss sagte, ich soll dir ausrichten, dass das, was zwischen euch passiert ist, nicht nichts war. Das soll ich dir sagen. Hör mal, ich weiß ja nicht, was passiert ist, aber der Boss sagte, ich soll dir ausrichten, es sei …«
»Nicht nichts gewesen. Ich hab’s gehört. Ich werde tun, was ich kann. Gehst du morgen wieder zum Prozess?«
»Wenn er noch läuft. Die ganze Sache könnte schon heute Nachmittag vorbei sein, und zwar auf keine gute Weise. Nicht, dass ich dich unter Druck setzen will. Aber wir finden, du solltest deine Zeit besser darauf verwenden, zu deinem Anwalt zu gehen.«
»Ich hab es dir doch gesagt. Es gibt nichts, was ich tun kann«, sagte Lula.
»Es gibt immer was«, sagte Genti. »Ruf ihn an. Wir kehren in die Stadt zurück. Ich fahr dich hin. Ich warte auf dich und bringe dich heim.«
Lula starrte durch die Windschutzscheibe und sah wieder den Ausdruck auf Alvos Gesicht vor sich, als er den Gerichtssaal verließ. Hatte sein hungriger Blick ihr gegolten – oder ihrem Anwalt? »Ich denke drüber nach. Ich rufe ihn an. Er ist viel unterwegs. Er arbeitet in Guantánamo, wo die Leute echte Probleme haben.«
»Vertrau mir, kleine Schwester. Das hier ist ein echtes Problem. Morgen ist es zu spät. Ich bringe dich zu seiner Kanzlei.«
Lula hätte Nein sagen können. Sie hätte versuchen können, Nein zu sagen. Stattdessen zog sie ihr Handy raus und drückte Don Settebellos Nummer. Lula erklärte seiner Sekretärin, sie müsse ihn persönlich sprechen. Jetzt. Nur zehn Minuten.
»Sie haben Glück«, sagte die Sekretärin. »Er ist gerade aus Kuba zurück. Sein Terminplan ist ab zwei, Viertel nach zwei voll. Er kann Ihnen höchstens fünf Minuten widmen. Und es sollte sich besser um etwas Wichtiges handeln.«
»Es geht um Leben und Tod«, erwiderte Lula.
Don Settebello gab sich gern als jemand, der in einem staubigen Hinterzimmerbüro arbeitete, wie ein Detektiv aus einem alten Film. Aber Lula hatte – nicht direkt zu ihrer Überraschung – schon vor Langem entdeckt, dass Settebello, Reitman und Leiber eine riesige einschüchternde Kanzlei mit einem riesigen Mitarbeiterstab war, den man angewiesen hatte, die Mandanten nicht einzuschüchtern. Die sauber geschrubbte Empfangsdame griff zum Telefon, und ein sauber geschrubbter junger Mann führte Lula durch ein Labyrinth voll anderer sauber geschrubbter junger Leute, die alle für Don arbeiteten und von denen keiner lange genug aufschaute, um auf Lula, die Freundin der Familie, die einfach in Dons Allerheiligstes marschieren konnte, neidisch zu werden oder sie auch nur zu bemerken. Sie war keine gewöhnliche Bittstellerin, die Don um Hilfe anbetteln wollte. Don und sie hatten
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