Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Luegen auf Albanisch

Luegen auf Albanisch

Titel: Luegen auf Albanisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francine Prosse
Vom Netzwerk:
Lula.
    »Welcher Waffe?«
    »Die ihr bei mir gelassen habt.«
    »Wer erinnert sich denn daran?«, fragte Genti.
    »Ich«, sagte Lula. »Gehen wir.«
    Genti schälte sich wieder aus seinem Ledermantel, und gemeinsam schlossen sie sich der Reihe vor dem Metalldetektor an.
    Der fast leere Gerichtssaal erschien wie ein hoffnungsvolles Zeichen. Alvos Prozess zog keine kläffenden Reporterrudel an.
    »Wo ist er?«, flüsterte Lula.
    »Da«, sagte Genti.
    »Wo?«
    »Da drüben, verdammt!«, sagte Genti. Ein paar Leute drehten sich um. Würden sie sich für den Rest des Tages weiter gegenseitig in Verlegenheit bringen wie ein altes Ehepaar, sich zanken und zu laut reden, während sie zuschauten, wie ihr albanischer Bruder für so lange Zeit eingesperrt wurde, dass er bei seiner Entlassung ein alter Mann wäre und ein zwanzigjähriges Mädchen haben wollte oder, nach der Gefängniszeit, einen zwanzigjährigen Jungen? Lula stellte sich vor, wie sie Alvo besuchte, ihre Handflächen an das Trennglas gedrückt. Jemand würde ihr den richtigen Nachnamen nennen müssen, um ihn bei den Gefängniswärtern anzugeben.
    Alle schauten nach vorne. Keiner der Köpfe gehörte Alvo. Oder Arkon. Sie waren im falschen Gerichtssaal. Genti war ein Trottel.
    »Ich sehe ihn nicht«, beharrte sie.
    »Da«, sagte Genti. »Schau noch mal hin. Der Typ hat seine verdammten Haare gefärbt.«
    Das war das fehlende Puzzleteil. Alvos Haar war so schwarz wie das von Zeke.
    »Seine Anwältin behauptete, Rothaarige würden immer verlieren. Wäre statistisch erwiesen. Haarfarbe ist alles. Naturblonde gewinnen immer. Danach kommt Grau.«
    »Wo hat er seine Anwältin aufgetrieben?«
    »In der Bronx«, sagte Genti. »Wo sonst?«
    Alvos Anwältin trug ein helles Kostüm mit einem hautengen Rock. Zu einer makellosen Hochfrisur gekämmt, schimmerten ihre silbrigen Locken weich im harten Neonlicht. Sie näherte sich der Richterbank und flüsterte dem Richter etwas ins Ohr. Der ältliche Richter starrte betört auf die Anwältin.
    »Die Verteidigung hat mich informiert, dass ein Übersetzer für ihren Mandanten gefunden wurde, da er nur über unzureichende Englischkenntnisse verfügt.«
    »Genial gemacht, Kumpel«, flüsterte Genti.
    »War Ihnen das bekannt, Mr. Capone?«
    Man konnte sich keinen Staatsanwalt ausdenken, der Mr. Capone hieß! Lula verspürte eine weitere Woge der Zuneigung für ihre selbst gewählte neue Heimat. Mr. Capone wies darauf hin, dass der Angeklagte, als man ihn verhaftet hatte, des Englischen durchaus mächtig gewesen sei. Vor allem englischer Flüche. Als das bei einigen Polizisten in der vorderen Reihe Gelächter hervorrief, bedachte Mr. Capone sie mit einem spöttischen Salut.
    »Arschlöcher!«, zischte Genti.
    Ein Gerichtsdiener, der am Ende von Lulas und Gentis Bank auftauchte, teilte ihnen mit: Noch so ein Ausbruch, und er müsse sie bitten zu gehen. Er selbst sprach leise, brachte aber die Atmosphäre im Gerichtssaal so durcheinander, dass alle aufmerksam wurden.
    Alvo-Arkon drehte sich um. Er sah abgespannt, aber immer noch gut aus, trotz der schlecht gefärbten Haare. Der arme Kerl! Lulas Annahme, sie sei von ihm abgewiesen worden, war purer, selbstsüchtiger Stolz. Alvo hatte nicht an sie gedacht. Eine mögliche fünfzehnjährige Gefängnisstrafe übertraf eine katastrophale erste Verabredung bei Weitem.
    Alvo entdeckte Genti und hob eine Schulter auf diese schmalzige Weise, die seine Freunde immer so nervte. Dann bemerkte er Lula. Keine Überraschung. Kein gar nichts. Man würde nicht mal einen Fisch mit solchen Augen kaufen. Er kannte sie nicht, er wollte sie nicht kennen. Warum war sie überhaupt hier?
    »Tut mir leid«, entschuldigte sich Genti beim Gerichtsdiener. Dann sagte er: »Ich habe deine fette Schlampe von Schwester gefickt«, in liebenswürdigem Albanisch, was nur Lula verstehen konnte.
    Der Dolmetscher war ein vertrockneter Herr mit runden Schultern in einem auffallend karierten Anzug. Keine große Konkurrenz. Welcher heißblütige Protokollführer würde diesen traurigen Sack aufrufen, sobald Lula im Angebot war? Wie lange es auch dauern mochte, diesen Job zu bekommen, sie würde immer noch kurze Röcke tragen können. Der Dolmetscher hob ständig den Unterarm, als wolle er den Hagel englischer Wörter abwehren. »Bitte langsamer, langsamer«, sagte er.
    »Verfahrensmängel«, flüsterte Genti.
    Der Protokollführer las die Anklagepunkte vor. Nicht nur ein Einbruch, sondern viele. Alle in Lebensmittelläden und

Weitere Kostenlose Bücher