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Luegen auf Albanisch

Luegen auf Albanisch

Titel: Luegen auf Albanisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francine Prosse
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dass sie sagten, was er wollte. Lula versuchte sich Dons Frau Betsy vorzustellen, die sie nie kennengelernt hatte. Dann dachte sie an Savitra und an Dons Hand, die beim Essen schwer auf die ihre gefallen war. Eine Frau musste verrückt sein, einen Mann zu heiraten (oder auch nur mit ihm ins Bett zu gehen), der jeden Liebesstreit wie einen Kriminalfall verfolgen würde.
    Don sagte: »Ich wäre nicht dort, wo ich bin, wenn ich Situationen nicht einschätzen könnte, und ehrlich gesagt, Lula, meine Einschätzung dieser Situation hinterlässt bei mir das Gefühl … Ich weiß nicht, welches Gefühl es bei mir hinterlässt. Müdigkeit. Enttäuschung. Es deprimiert mich, Lula. Wissen Sie was? Wie wir früher gesagt haben, es zieht mich runter. Sie arbeiten im Haus meines ältesten Freundes. Sie gehören zur Familie, in gewisser Weise. Sie wissen, was ich mir für mein Leben ausgesucht habe, die Probleme, die ich mir selbst eingebrockt habe, die Opfer, die ich gebracht habe – nicht dass es Opfer wären. Jemand muss es tun. Jeden Tag aufs Neue die Scheiße schaufeln gegen die Flut der Regierungslügen, Militärlügen, sinnlosen Gesellschaftslügen. Und jetzt fügen Sie dem Ihre eigene erbärmliche kleine Lüge über einen Kerl hinzu, der in der Nacht, als Stans Frau durchgeknallt ist, nicht mal in Ihrem Zimmer hätte sein sollen.«
    Warum nicht?, wollte Lula fragen. Warum hätte Alvo nicht dort sein sollen? War Eifersucht das Problem? War es Alvos kriminelle Vergangenheit? Alvos kriminelle Gegenwart? Lulas Lüge war das Problem. Brachte Lulas geringfügige Veränderung der Wahrheit Don auf den Gedanken, sie wüsste nicht, warum er das schwere Leben einem leichten vorgezogen hatte oder was für ihn und sein Land auf dem Spiel stand? Glaubte Don, dass ihre Bemühungen, einem Typen zu helfen, in den sie sich ein wenig verknallt hatte, eine Bedrohung für die Gründerväter oder den amerikanischen Way of Life war? Don war ein Held. Fall abgeschlossen. Lula respektierte ihn dafür, mutig und aufrichtig zu sein und immer bereit, den Benachteiligten zu helfen. Würde sich Don weigern, an ihrem Greencard-Fall weiterzuarbeiten, weil sie ihm eine winzige Notlüge aufgetischt hatte, um ihrem albanischen Bruder zu helfen? Don würde ihr auch weiterhin helfen. Don war in jeder Weise – na ja, in fast jeder Weise – ein engelgleiches menschliches Wesen.
    »Hören Sie«, sagte Don. »Ich weiß. Menschen tun verrückte Dinge für die Liebe. Wenn das Liebe ist. Ist es Liebe, Lula?«
    Nein!, wollte Lula sagen. Oder doch? Sie glaubte nicht. Und es war jetzt kaum der richtige Moment, ihre Gefühle für Alvo zu analysieren.
    »Kennen Sie den Ausdruck, mit dem ich in letzter Zeit Schwierigkeit habe?«, fragte Don. »Nein, woher sollten Sie. Tja, Tatsache ist, dass ich Schwierigkeiten habe mit Simultaneität.«
    »Simultaneität?«, wiederholte Lula.
    »Zwei Dinge, die gleichzeitig geschehen«, sagte Don.
    »Ich weiß, was das Wort bedeutet«, sagte Lula. Wie irritierend, dass Don zu diesem späten Zeitpunkt ihr Englisch infrage stellen sollte! Korrigierte er auch Savitras Grammatik? Savitra war in Great Neck aufgewachsen.
    »Damit meine ich«, sagte Don, »dass es in genau diesem Augenblick diesen Jungen gibt, den ich letzte Woche da unten kennengelernt habe, diesen Kleinen, dieses Kind, jünger als Zeke, zum Teufel noch mal, die übliche Geschichte, sie haben ihn mit irgendeinem Dschihadisten-Dreckskerl verwechselt, sie glauben nicht, dass er vierzehn ist, im Haftbefehl steht zwanzig, er sieht alt aus für sein Alter. Jetzt sieht er wie ein kleiner alter Mann aus. Sie haben ihn auf einer Straße im Jemen aufgegriffen und ihn mit verbundenen Augen und an Händen und Füßen gefesselt nach Guantánamo geflogen, wo man ihn gefoltert hat und hungern ließ. Er hat einem Wächter Speck ins Gesicht gespuckt, er hat angefangen, Ärger zu machen. Sie haben ihm Elektroschocks verpasst, bis er solche Krämpfe kriegte, dass er halbseitig gelähmt ist. Er ist ein Kind. Noch lebt er, Lula, und vielleicht wird er in diesem Moment verprügelt, nach Tagen und Nächten ohne Schlaf, genau in diesem Moment, in dem Sie und ich hier in diesem bequemen, sündteuren Büro sitzen und Sie mir Scheiße erzählen, um den Arsch eines Losers zu retten, zu dessen Gunsten nur spricht, dass er aus Ihrem Land stammt und Sie irgendwann mit ihm bumsen wollten.«
    »Loser sind auch menschliche Wesen«, sagte Lula.
    Don sagte: »Er ist nicht Ihr Vetter. Er ist kein Politischer.

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