Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Luegen auf Albanisch

Luegen auf Albanisch

Titel: Luegen auf Albanisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francine Prosse
Vom Netzwerk:
Dieser Mann hat monatelang in Einzelhaft gesessen. Die Familie fand es heraus und hat sich mit mir in Verbindung gesetzt. Die Ehefrau wird fast verrückt. Die drei Kinder weinen nach ihrem Dad. Der Mann hat gerade erst seinen Hungerstreik abgebrochen. Er wiegt nur noch achtunddreißig Kilo.«
    Lula fragte: »Was legt man ihm zur Last?«
    »Bisher nichts«, antwortete Don. »Der Mann leitete eine Wohlfahrtseinrichtung. Hat religiöse Schulen finanziert. Hat Witwen und Waisenkindern geholfen.«
    Lula sagte: »So hat die UÇK ihr gesamtes Waffenarsenal zusammengekriegt, ist in Detroit und der Bronx von Haus zu Haus gegangen und hat für Witwen und Waisenkinder gesammelt.«
    Don sagte: »Das ist genau der zynische Scheiß, den alle erzählen.« Bei Dons finsterem Blick hatte Lula das Gefühl, sich dafür schämen zu müssen, zu diesen Zynikern zu gehören. Sie nahm sich vor, ihren Ostblockpessimismus – oder Realismus, je nachdem – abzumildern.
    »Ich habe diesem armen Kerl geglaubt. Ich bin seit dreißig Jahren Anwalt. Ich merke es, wenn ein Mandant lügt.«
    Jede Lüge, die Lula je von sich gegeben hatte, kam ihr in den Sinn, angefangen mit der einen, von der Don wusste, ihre unterschlagene halbmuslimischen Abstammung im Visumsantrag. Seit Generationen war niemand in ihrer Familie religiös gewesen. Das heißt, wenn man den Vetter dritten Grades nicht dazuzählte, der plötzlich religiöse Anwandlungen bekam und nach Afghanistan ging, um in den Dschihad zu ziehen. Jeder hatte so einen Vetter dritten Grades. Und wenn man ihren nun zu ihr zurückverfolgte? Falls auch nur ein neugieriger Beamter das herausfand, säße sie morgen wieder in Tirana.
    Das cremige Licht ließ die Menschen im Restaurant gesund, reich und glücklich darüber aussehen, gemeinsam zu Mittag zu essen. Wie lange würde sie ihr angenehmes Leben hier noch genießen können? Sie bestellte den Schellfisch mit Trauben und Safran.
    Don sagte: »Danke. Ich esse nichts.« Er kippte den Wein runter wie Wasser. Lula überlegte, ob sie ihm wohl würde ins Taxi helfen müssen. Seine Kanzleinummer war in ihrem Handy gespeichert. Sie konnte seine Sekretärin anrufen.
    Don sagte: »Einer meiner Mandanten ist ausgewiesen worden.«
    »Der, dem über den Fuß gefahren wurde?« Lula war froh, beweisen zu können, dass sie zugehört hatte. Sie hoffte, es handelte sich um denselben Mandanten. Je mehr von Dons Mandanten nach Hause geschickt wurden, desto entmutigter fühlte sie sich.
    »Braves Mädchen«, sagte Don. »Aber nein, ein anderer. Ehrlich, ich frage mich allmählich, warum ich es überhaupt versuche.«
    »Machen Sie sich keine Vorwürfe«, sagte Lula. »Sie haben mir geholfen, mein Arbeitsvisum zu bekommen. Sie haben die Dinge für Estrelia geregelt und …«
    »Dieser Mann hatte eine Greencard«, sagte Don. »Er war im Baugewerbe tätig. Bangladeschi. Seine Familie gehört zu irgendwelchen bizarren evangelikalen Protestanten.«
    »Was hat er getan?«, fragte Lula.
    »Illegaler Waffenbesitz. Unregistrierte Handfeuerwaffe. Um ehrlich zu sein, wenn ich da wohnen würde, wo dieser Mann wohnte, am äußersten Rand von Bushwick, mit zwei kleinen Kindern und einer Frau, würde ich auch eine Möglichkeit finden, mich zu schützen, mit oder ohne Waffenschein.«
    »Okay, klar, wow«, sagte Lula.
    »Ist es zu warm hier drin?«, fragte Don.
    Wie konnte Don die Schweißperlen sehen, die sich in ihrem Nacken bildeten? Im Fernsehen schwitzten die Verdächtigen, weil sie entweder auf Drogen oder schuldig oder beides waren.
    »Allergien«, sagte Lula. Sie überlegte, was gefährlicher wäre – Alvos Revolver wegzuwerfen und die Albaner zu verärgern, oder ihn zu behalten und sich Sorgen zu machen, dass jemand sie an die Einwanderungsbehörde verriet. Letzteres erschien ihr weniger wahrscheinlich.
    »Momentan ist keine Allergiezeit. Sie sollten Ihre Augen untersuchen lassen«, sagte Don. »Ich war etwa in Ihrem Alter, als ich meine erste Brille bekam.«
    Welches Alter?, hätte sie jeden anderen fragen können. Aber Don kannte ihr Alter auf den Tag genau. Es stand in ihrem Antrag. Don wusste bereits so viel, dass sie sich wünschte, ihn wegen der Waffe fragen zu können. Schließlich war er ihr Anwalt. Aber sie wusste, was Don sagen würde: Werden Sie diese zwielichtigen albanischen Kumpel los, öffnen Sie nicht die Tür, wenn sie klingeln. Sie würde so tun, als beherzigte sie seinen Rat, und würde ihn dann ignorieren.
    Lulas Schellfisch kam. Er hätte ihr fast den Glauben

Weitere Kostenlose Bücher