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Luegen auf Albanisch

Luegen auf Albanisch

Titel: Luegen auf Albanisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francine Prosse
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ständig Fragen, auf die es keine Antwort gab? Sie sagte: »Während unserer Diktatur passierten solche Dinge auch …«
    »Und was heißt das genau?«, fragte Don.
    »Das heißt, dass solche Dinge passieren«, sagte Lula. Sie hoffte, das Essen war gut hier. »Liegt vielleicht in der menschlichen Natur …«
    Don sagte: »Ich weiß nicht, was ich sonst tun kann. Sobald man das weiß, sobald man gesehen hat … Also nehme ich mein Leben von dem Moment an in die Hand, in dem ich diesen lächerlichen Spielzeugflieger mit Rostlöchern im Rumpf besteige, wo man nicht mal pinkeln kann. Wenigstens gebe ich diesen Burschen ein wenig Mut, ein wenig Zuversicht. Gebe dem sogenannten Justizministerium zu verstehen, dass jemand sich kümmert. Dann komme ich zurück und esse diese ausgefallenen Sachen und trink diesen phantastischen Wein, und vielleicht wird der Kerl noch schlimmer gefoltert, weil ich versucht habe, ihm zu helfen.«
    »So was passiert«, sagte Lula. »Wie gesagt, die menschliche Natur.«
    Don sagte: »Hören Sie auf damit. In Ihrem Alter habe ich nie so einen Scheiß geredet. Ich war Mr. Idealismus. Ich war derjenige, der all die kleinen Burschen vor den großen bösen Schurken beschützen wollte.«
    Lula zuckte fatalistisch die Schultern. »Sie hätten dort aufwachsen sollen, wo ich war. Wir kannten die Wahrheit von Geburt an.«
    »Und welche Wahrheit sollte das sein?«
    »Bring die kleinen Burschen an die Macht, und sie verwandeln sich über Nacht in große böse Schurken.«
    Lula hielt inne. Stritten sie sich? Sie wollte nicht, dass Don meinte, sie hielte ihn für naiv. Aber es konnte nie schaden, ihn daran zu erinnern, woher sie kam und was ihr Land durchgemacht hatte. Don wusste, dass sie Halbmuslimin war. Er hatte gesagt: Heben Sie das nicht hervor. Auf ihrem Visumsantrag hatte Christin gestanden.
    Lula sagte: »Welche Fragen wollten Sie mir denn stellen?« Falls es um Sex ging, sollte Don jetzt damit herausrücken. Nein zu sagen, würde ihr schwerer fallen, nachdem er für das Essen bezahlt hatte.
    Don schüttelte den Kopf wie ein Schwimmer, der Wasser ins Ohr bekommen hat. »Ach ja, richtig. Wegen der Geschichte, die Sie Stan gegeben haben …«
    »Was ist damit?«, fragte Lula.
    Kurz erwog sie, Don zu erzählen, dass sich jemand in Mister Stanleys Haus geschlichen und die Geschichte auf Zekes Computer beendet hatte. Sie fühlte sich wie ein Kind mit einem Geheimnis, das es unbedingt einem Erwachsenen verraten wollte. Aber sie war kein Kind, und wenn ihr Ko-Autor Alvo war, würde die Sache durch Don Settebellos Kenntnis davon nur noch komplizierter werden. Sie vertraute Don, jedoch nur bis zu einem gewissen Grad. Sie würde warten und schauen, was zwischen jetzt und dem Nachtisch geschah.
    »Ich fand Ihre Geschichte wundervoll«, sagte Don.
    »Vielen Dank«, sagte Lula. Der Kellner kam mit einer Brotauswahl. Don winkte ihn weg.
    »He, warten Sie mal«, sagte Lula. Der Kellner machte kehrt, und Lula nahm sich ein knuspriges, mit Rosinen und Oliven gespicktes Brötchen.
    »Gut gemacht«, sagte Don. »Mir gefällt es, wenn Frauen Appetit haben.«
    Lula bestrich das Brötchen mit Butter, nahm einen Bissen und sagte mit immer noch vollem Mund und auf eine Weise, die möglichst wenig sexy wirkte, wie sie hoffte: »Sie sprachen von meiner Geschichte.«
    Don sagte: »Stimmt. Ihre Geschichte. Ich habe mir erlaubt, sie einer Freundin zu zeigen, die im Verlagswesen tätig ist, und sie gab sie einer befreundeten Lektorin, die zufälligerweise Bulgarin ist.«
    »Bulgarin?« Lula hatte bereits ein mulmiges Gefühl, was diese Bulgarin anging.
    »Bulgarin«, bestätigte Don. »Jedenfalls hat sie Ihre Erzählung gelesen. Sie gefiel ihr sehr.«
    »Vielen Dank«, sagte Lula unbehaglich.
    »Danken Sie nicht mir«, sagte Don. »Aber sie gab zu bedenken, dass … na ja, die Geschichte über die Schöne der Erde und den Burschen, der ihr Herz gewinnt, nachdem er sich so hat quälen lassen, und die Sache mit den Trauben – das alles sei ein sehr beliebtes Volksmärchen vom Balkan. Daher kam es ihr … seltsam vor, dass das alles dem Halbruder Ihres Großvaters passiert ist.«
    Vetter, wollte Lula sagen, außer dass sie sich plötzlich nicht mehr erinnern konnte, was sie geschrieben hatte. Vielleicht hatte Don recht.
    Don sagte: »Sie meinte, der Teil mit den fünfzehn Kindern und dem Harem sei typisch Balkan. Und nicht das traditionelle Ende. Mir gefiel der Teil auch.«
    Lula sagte: »Es ist eine Kurzgeschichte.«
    Don sagte:

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