Luegen auf Albanisch
ebenfalls gut gemerkt haben, denn er fand ohne große Schwierigkeiten das nahe des Highways gelegene Motel, in dem sie reserviert hatten.
»Nichts Luxuriöses«, sagte er zu Lula. »Aber es ist das einzig Annehmbare in der Stadt.«
Glastüren glitten auf und ließen sie in die Lobby ein. Ein nervöser Junge, vielleicht ein Harmonia-Student, blickte ihnen furchtsam von der Rezeption entgegen. Mister Stanley hatte zwei Zimmer reserviert, genau wie Lula erwartet hatte. Der Angestellte entschuldigte sich, weil die Zimmer auf verschiedenen Stockwerken lagen.
Nachdem sie ihre Schlüsselkarten bekommen hatten, sagte Mister Stanley, er brauche ein Nickerchen. Lula sei vermutlich auch müde. Im Aufzug erwähnte er, dass sie sich, wenn sie wollte, um sieben unten zum Essen treffen könnten. Ja, das wollte sie durchaus. Sie hatte den ganzen Tag nichts gegessen, bis auf ein Magerkäse-Sandwich. Lula fuhr weiter in ihr Stockwerk, wo ihre Schlüsselkarte nicht funktionierte. Rotes Licht, rotes Licht. Summ, summ. Keine Panik, versuch’s noch mal. Grüner Pfeil, grünes Licht. Selbst ein Schimpanse könnte das. Erst als sie das Zimmer betrat, merkte sie, dass es draußen fast dunkel war. Das Beste an den kürzesten Tagen des Jahres war das Versprechen, dass die Tage wieder länger würden. Es konnte nur aufwärtsgehen. Das Licht schaltete sich ein, wenn man die Karte in einen Schlitz steckte. Miese, energiesparende Drecksäcke! Sei dankbar, ermahnte sich Lula. Sie versuchen, den Planeten zu retten.
Sie ließ sich auf das schwammige Bett fallen, froh darüber, sicher in diesem einfachen, mehr oder weniger sauberen Zimmer unter hunderten einfacher, mehr oder weniger sauberer Zimmer zu sein, ein Bett, ein Schließriegel, ein Telefon, Handtücher, Fernseher. Kein Flachbildschirm, aber groß genug. Und noch wichtiger, ihres allein.
Sie nahm die geblümte Tagesdecke ab, die sich beim Gästewechsel nicht waschen ließ, und legte sich auf das Laken, das, wie sie hoffte, gewaschen war. Die Kopfkissen waren bequem, und die Fernbedienung lag genau dort, wo sich ein Gedankenleser Lulas Reichweite vorgestellt hatte. Lula zappte durch die Sender und hielt bei einer Talkshow inne, deren Thema heute die Ehe war. Die Mittelschichtpaare gestanden ihre Seitensprünge und weinten, die ärmeren Paare weigerten sich, etwas zu gestehen, und mussten dann doch alles zugeben, als ihre Liebhaber oder Geliebten auf der Bühne erschienen. Dann weinten und brüllten sie. Einige der armen Frauen weinten, aber keiner der armen Männer. Keine der Mittelschichtfrauen brüllte, doch viele von ihnen weinten. Hatte Mister Stanley um Ginger geweint? Eines Abends hatte Lula auf dem Weg nach oben ein schluchzendes Geräusch aus Mister Stanleys Zimmer gehört. Allein die Möglichkeit, dass es Mister Stanley gewesen sein könnte, hatte sie so fertiggemacht, dass sie sich eingeredet hatte, es geträumt zu haben. Aber jetzt dachte sie, wer würde nicht weinen? Keine Frau, kein Spaß, keine Freundinnen, eine Arbeit, die er hasste, ein Sohn, der ihn zu verachten schien.
Lula musste eingeschlafen sein. Strahler vom Parkplatz leuchteten ins Fenster. Lastzüge rauschten auf dem Highway vorbei. Sie schaltete die Nachrichten ein und sah einen Kongressabgeordneten, der sich für seine außereheliche Affäre entschuldigte, dann eine Gruppe Senatoren, die einen Untersuchungsausschuss über die Vorwürfe forderten, dass amerikanische Soldaten Gefangene im Irak folterten, dann den Präsidenten, der der Presse versicherte, die Vereinigten Staaten würden nicht foltern. Es war interessant, dass alle logen und nur die Ehebrecher erwischt wurden. Sie hatte Glück, in diesem warmen Motel zu sein und nicht in den schwelenden Ruinen von Bagdad. Kaum hatte sie das gedacht, kam ein Bericht über eine Familie, die vor Katrina geflüchtet war und immer noch in einem Motel außerhalb von Denver untergebracht war, zu acht in einem Zimmer.
In der Schreibtischschublade lag eine Werbebroschüre für eine Pizzakette. Lula hoffte, dass es im Restaurant Steak gab. Um zwei Minuten vor sieben verließ sie ihr Zimmer und fand Mister Stanley an einem der wenigen Tische warten, in einem vom flimmernden Licht der Saft- und Milchmaschinen beleuchteten Bereich. Sehr osteuropäisch. Mister Stanley hob sein Glas mit etwas Goldenem zu einer ungewohnt überschwänglichen Begrüßung.
»Guten Abend«, sagte Lula.
An der Wand tanzten eine Garnele und ein Hummer mit Frack und Zylinder Jitterbug zu den Noten
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