Luegen auf Albanisch
tyrannischen Wärtern Zeke und Mister Stanley bewachter Kerker. Und wenn es nun Ginger war, die sich ins Haus geschlichen und in Lulas Badewanne geduscht hatte? Das Haar auf der Seife war rot gewesen. Ginger war rothaarig, eine ausgemachte Irre und vermutlich gerissen genug, Schöne und Heiler falsch zu schreiben und wie ein Albaner zu denken. Aber Ginger war in Arizona. Es musste Alvo gewesen sein. Eine Woge der Zuneigung schmolz den Eiszapfen, der sich kurz in Lulas Herz gebohrt hatte.
Mister Stanley hatte Seiten aus MapQuest ausgedruckt und gab sie Lula. »Ginger war der Kartenleser der Familie«, sagte er.
Lula sagte: »Sie sollten sich ein GPS anschaffen.«
»Ich würde nicht wissen, wie das funktioniert.« Mister Stanley versuchte abschätzig zu klingen, als wäre ein GPS -Gerät ein albernes Spielzeug und als wäre jeder, der es benutzte, ebenfalls eine alberne Spielzeugperson. Aber lange würde er das nicht mehr durchhalten. Die Wall-Street-Jungs aus dem La Changita waren alle ganz verrückt nach technischen Spielereien.
»So schwierig ist das nicht«, sagte Lula.
»Woher wollen Sie das wissen?«, fragte Mister Stanley. »Benutzen Sie jemals das Mobiltelefon …«
Lula sagte: »Bei allen neuen Autos in Albanien gehört GPS zur Standardausrüstung.«
»Dieses Auto ist Schrott«, sagte Zeke. »Ich wünschte, wir hätten den Olds genommen.«
»Das Benzin würde mehr kosten als die Studiengebühren für dein erstes Jahr«, sagte Mister Stanley.
»Gib mir das Geld statt dem College. Das sag ich doch schon die ganze Zeit!«
»Wie schön, dass du dich aufgesetzt hast«, sagte Mister Stanley. »Jetzt leg bitte den Gurt an.«
Eines der beliebtesten Feierabendgespräche im La Changita hatte sich um das verzogene Gehabe amerikanischer Kinder gedreht, zu denen die Bedienungen auch die Gäste zählten. Jeder hatte eine Freundin, die als Kindermädchen arbeitete, alle hatten schon beobachtet, wie eine Mom ihr kleines Monster bestach, seine Fäustlinge anzuziehen. Lula hatte ihre Meinung für sich behalten, die besagte, dass niemand wusste, wie man Kinder erzog, sie wurden nur an unterschiedlichen Orten unterschiedlich vermurkst.
»Mach das leiser«, sagte Mister Stanley. »Dieser Lärm aus deinem Kopfhörer dringt bis nach hier vorne.«
»Ohrstöpsel«, sagte Zeke. »Keine Kopfhörer.«
Der Sänger kreischte dieselben zwei Wörter immer und immer wieder. Back pray? Black pay? Mister Stanley knirschte mit den Zähnen. Zeke tauchte in seine Musik ab, und Lula kam sich vor, als wären sie und Mister Stanley Kollegen, die in einem Fahrstuhl zwischen den Stockwerken festhingen. Sie lehnte den Kopf an das kühle Fenster und ließ ihre Gedanken zu dem Mittagessen mit Alvo und dem unklaren Abschluss zurückwandern. Kuss, Kuss. Kleine Schwester.
»Bitte, Zeke«, flehte Mister Stanley.
Lula hatte beschlossen, Mister Stanley nicht mehr mit albanischen Vätern und ihrer übermäßig machohaften Art zu vergleichen, machohafte albanische Söhne großzuziehen. Es war so goldig, welches Vertrauen Amerikaner in den Collegebesuch setzten, wie Amerikaner ihren Küken einen Taubenschlag kauften, in dem die Kleinen vier Jahre lang auf der Stange sitzen konnten, bevor sie ihren Jungfernflug in die Welt antraten. In Tirana waren Studenten wie Nachbarn in einem von Küchenschaben verseuchten Slum, teilten sich zu sechst ein Zimmer im Wohnheim, hatten alle den gleichen miesen Job, rauchten Pot, tranken billigen Raki, wachten morgens neben einem auf, an den sie sich düster aus dem Englischseminar erinnerten.
Der Verkehr ließ nach, als sie an ölig schwarzen Bäumen und von rostbraunem Unkraut überwachsenen Sümpfen vorbeikamen. Wie trostlos alles war, selbst mit den neuen Villen, die wie kahle Räudestellen aus dem Fell der Berge gekratzt waren. Das kalte Fenster brannte an Lulas Wange. Sie schloss die Augen und ließ sich von den Autoreifen in den Schlaf singen.
Als sie aufwachte, bog Mister Stanley vom Highway ab.
»Sie sind mir ja eine feine Kartenleserin«, sagte er zu Lula. »Wie gut, dass ich mir die Wegbeschreibung gemerkt habe.«
»Tut mir leid«, sagte Lula. Zekes Kopf war nach hinten gesackt, und sein Atem pfiff in der Nase. Sie kamen an einigen Schuppen und einer Wiese vorbei. Obwohl sie die Schießausflüge mit ihrem Vater immer gehasst hatte, erfüllten sie die Erinnerungen daran jetzt mit Trauer. Zweimal hatte ihr Vater ihr eine geknallt, weil sie das Ziel verfehlt hatte. Kein Wunder, dass sie sein Angebot
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