Lügen, die von Herzen kommen: Roman (German Edition)
Mitarbeiterin delegiert, und was den Kreativitätsteil betraf: Nun, es ging auch ohne Klebstoff und Farben. Wir nähen ein Weihnachtsdorf für die Fensterbank; Speichelechte Laubsägearbeiten aus unbehandelter Kiefer und: Schluss mit Kleister und Tapete: So bespannen Sie die Kinderzimmerwände mit Stoff!
Steffi nannte wie immer mit stolzgeschwellter Brust ihren Doppelnamen und pries sodann ausschweifend, wie es ihre Art war, den sechsseitigen Ostersonderteil an: selbst gefilzte Ostereier und Eierwärmer in Form von Hühnern, dazu Tischdecken, Servietten und Kissen mit passenden Hühnerapplikationen und riesigen Satinschleifen, alles nach ihren Vorgaben gefertigt vom Fortgeschrittenennähkurs der hiesigen Volkshochschule.
Das interessierte natürlich keine Sau.
»Und der Superclou: Alles ist in den Modefarben Lavender, Raspberry und Countrywhite«, schloss sie, wobei sie stolz ein Nest mit selbst gefilzten Ostereiern und blasslila Hühnern auf den Tisch schob. »Süß nicht? Wir haben ein Fotoshooting in einem superschönen Antiquitätenladen für Freitag gebucht. Dort fotografieren wir dann auch gleich das siebengängige Ostermenü, alles Rezepte rund um Huhn und Ei.«
Birnbaum sah ein bisschen aus, als ob er Zahnschmerzen hätte. Wahrscheinlich überlegte er, ob Steffis Hühner wohl jung, trendy und sexy genug für die neue Linie von Annika waren.
»Wie süüüß«, rief Leroy, der Leiter unseres Moderessorts, jedoch aus und klatschte dabei in die Hände. Er benahm sich immer so, als wäre er direkt einem »Käfig voller Narren« entsprungen. »Das passt außerdem farblich super zu unserer Modereportage: Kleider und leichte Blazer in den Farben des Frühlings.«
»Wann, sagten Sie, beginnt Ihr Mutterschutzurlaub?«, erkundigte sich Birnbaum bei Steffi.
»Ich sagte gar nichts«, sagte sie verschnupft. Sie hatte ein Lob erwartet, Frau Zimperich war immer hellauf begeistert gewesen von ihren Basteleien.
»Aber Sie sind doch schwanger?«, fragte Birnbaum. »Oder sind Sie einfach nur – äh – überernährt?«
»Ich würde sagen, sowohl als auch«, murmelte Marianne boshaft, und Steffi, die in den letzten acht Monaten ungefähr so viel zugenommen hatte wie ein Elefant wiegt, schossen die Tränen in die Augen.
»Das meiste davon sind Wasserablagerungen«, brachte sie undeutlich und schluchzend hervor. »Da kann ich ja nichts für.«
»Wie bitte? Wann?«, fragte Birnbaum.
»In zwei Wochen«, schniefte Steffi.
»Sehr schön.« In Birnbaums Stimme schwang eine gewisse Erleichterung mit. Ohne sich weiter um Steffis Schluchzen zu kümmern, wandte er sich an Sabine Herz, genannt Herzchen, die ebenfalls schwanger war, allerdings erst im vierten Monat.
»Und Sie?«
»Ich gehe erst in fünf Monaten«, sagte Herzchen giftig.
»Sie sind auch schwanger?« Birnbaum rieb sich das Kinn. Ich bekam allmählich Mitleid mit ihm. Da stach er offensichtlich ahnungslos in ein Wespennest nach dem anderen. »Ich wollte eigentlich von Ihnen wissen, wie Ihre Idee zu unserem Liebe-online-Special aussieht.«
»Ach so«, sagte Herzchen etwas besänftigt. »Also, na ja, ich dachte, wir könnten die Geschichte einer Frau erzählen, die angefangen hat, ihre biologische Uhr ticken zu hören.«
Birnbaum hörte auf, sich das Kinn zu reiben und stöhnte. »Vielleicht dieselbe Frau, die neulich in Annika ihren Bandscheibenvorfall loswurde? Unsere Zielgruppe ist zwischen …«
»Frauen können die biologische Uhr schon ziemlich früh ticken hören«, fiel ihm Herzchen ins Wort, und in ihren Augen schimmerten ebenfalls Tränen. Das mussten dieselben Hormone sein, die auch aus Steffi einen wandelnden Zimmerbrunnen gemacht hatten. »Gerade heute, wo der Trend wieder mehr hin zur Familie geht, steht eine Frau unter großem gesellschaftlichem Druck. Schon mit Mitte zwanzig muss man sich dafür rechtfertigen, Single zu sein.«
Birnbaum sah ungläubig drein, aber wir anderen nickten zustimmend. Da war leider was Wahres dran.
»Also gut«, sagte Birnbaum ungeduldig. »Was hat die Frau in Ihrer Geschichte also getan, als sie es ticken hörte?«
»Sie hat im Internet eine Bekanntschaftsanzeige aufgegeben«, sagte Herzchen. »Bei einer dieser Dating-Lines, ihr wisst schon, aber eine seriöse Sorte. Und dann hat sie sich der Reihe nach mit den Männern getroffen, die auf die Anzeige geantwortet haben.« Herzchen machte ein erbittertes Gesicht, als sie fortfuhr: »Und obwohl sie im Vorfeld schon massenweise aussortiert hatte, also … Ihr
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