Lügen, die von Herzen kommen: Roman (German Edition)
essen«, widersprach Birnbaum. »Sonst landet die Hälfte von der Schokolade auf dem Fußboden, und das weiße Zeug klebt einem im Gesicht. Können Sie mal ’ne Kolumne drüber schreiben.« Er eilte zur Tür. »Wir sehen uns dann morgen. Arbeiten Sie noch fleißig.«
»Und Ihnen viel Erfolg beim Golfen«, sagte ich anzüglich. »Übrigens, Sie haben zwei verschiedene Socken an.«
Birnbaum tat, als hörte er es nicht mehr.
Marianne sah ihm grußlos hinterher. »Hat er wirklich fetter Hintern gesagt?«, fragte sie ziemlich fassungslos. »Zu mir? Ich meine, wenn er dich gemeint hätte, dann könnte ich das ja verstehen, aber ich hab das ganze verdammte Wochenende auf meinem Stepper verbracht.«
»Er sagte fauler Hintern, glaube ich«, sagte ich, nicht ohne eine gewisse Schadenfreude.
»Nur weil er die Tochter vom Verleger bumst, kann er sich hier doch nicht alles erlauben«, sagte Marianne. Birnbaums Verhältnis zu Annika Fredemann war kein Geheimnis mehr, Carla hatte längst geplaudert. »Mir sagt niemand ungestraft, dass ich einen dicken Hintern habe.«
»Mir aber auch nicht«, sagte ich. Alles wollte ich mir heute nicht gefallen lassen.
Marianne sah erstaunt zu mir auf. »Aber dein Hintern ist dick, Hanna!«
»Das ist Ansichtssache«, sagte ich.
»Nein«, sagte Marianne. »Das ist eine Tatsache, tut mir Leid. Aber ich wusste nicht, dass dich dein Hintern stört. Im Gegenteil, ich dachte immer, du stehst zu deinem Übergewicht.«
Übergewicht ! Das Wort traf mich wie eine Ohrfeige. Ich war heilfroh, dass mein Telefon in diesem Augenblick klingelte. Ohne Marianne eines weiteren Blickes zu würdigen, ging ich an meinen Schreibtisch zurück.
Es war Vivi, um mir zu sagen, dass sie soeben zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden war, und sie klang ungewöhnlich fröhlich.
»Aber wir haben die Bewerbungen doch erst am Freitagabend in den Briefkasten geworfen«, sagte ich überrascht.
»Ja, es ist diese Werbeagentur, weißt du, die brauchen ganz dringend eine Telefonistin«, sagte Vivi. »Ich soll gleich Mittwoch früh vorbei kommen. Eigentlich hätten sie’s gerne gehabt, wenn ich schon morgen gekommen wäre, aber ich habe gesagt, da hätte ich noch ein anderes Vorstellungsgespräch.«
»Warum das denn?«
»Du weißt schon, damit es nicht so klingt, als ob ich dringend darauf angewiesen wäre. Und außerdem brauche ich noch ein bisschen Zeit, um mich entsprechend zu stylen. Ich habe morgen Früh einen Termin im Nagelstudio gemacht, damit man meine abgenagten Fingernägel nicht sehen kann. Und ein Paar neue Schuhe wären gut. Teure Schuhe, damit es nicht so aussieht, als könnte ich mir keine anderen leisten. Ach, Hanna! Wär das nicht toll? Eine Werbeagentur! Endlich mal etwas anderes als Heizungs- und Sanitärfachbetriebe oder Pferdebedarfsgroßhandel, oder? Ich meine, Werbeagentur! Das bedeutet Glanz und Glamour! Und denk nur an die vielen interessanten, gut verdienenden Männer!«
»Hm«, sagte ich zögernd. Als Telefonistin würde Vivi wohl nicht viel vom vermeintlichen Glanz und Glamour mitbekommen, und wahrscheinlich gab es dort auch mehr interessante, gut verdienende Frauen als interessante, gut verdienende Männer. Aber ich wollte ihren Enthusiasmus auf keinen Fall bremsen. »Wann musst du Mittwoch früh da sein?«
»Um neun«, sagte Vivi aufgekratzt. »Was soll ich anziehen?«
»Was Seriöses. Ist dein Wecker auch intakt?«
»Was soll das heißen, seriös? Es ist eine Werbeagentur, die wollen doch was Trendiges, was Flippiges.«
»Das glaub ich weniger. Am besten rufe ich dich Mittwoch Morgen an, um dich zu wecken, und dann gehen wir auch noch mal deine Garderobe durch. Falls dein Wecker wieder kaputt ist oder du aus Versehen die falsche Zeit einstellst.«
»Oh Gott, ja, das darf ich auf keinen Fall vergeigen«, sagte Vivi. »Das ist das erste Mal, dass ich einen Job unbedingt haben will. Eine Werbeagentur, das ist ja so was von cool! Weißt du, was diese Typen verdienen? Die sind alle schon mit dreißig stinkreich.«
»Und mit vierzig kriegen sie dann einen Herzinfarkt«, sagte ich und wechselte rasch das Thema. »Vivi, weißt du, was Kaviar ist?«
»Das weißt du nicht? Das sind diese schrecklich teuren Fischeier, glibber, glibber.«
»Jetzt, wo du’s sagst, fällt es mir auch wieder ein.« Ich musste wohl doch Carla danach fragen. »Sag mal, Vivi, findest du mich eigentlich zu dick?«
Am anderen Ende der Leitung herrschte hörbare Verblüffung. »Na ja, dass du nicht gerade
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