Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lügen, die von Herzen kommen: Roman (German Edition)

Lügen, die von Herzen kommen: Roman (German Edition)

Titel: Lügen, die von Herzen kommen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
Vom Netzwerk:
Testchat-Romanze, oder etwa nicht?«
    »Also, um ehrlich zu sein, nein«, wagte ich zuzugeben. Es war erst Montag, es würde reichen, wenn ich mir die Testchatstory am Mittwoch aus dem Ärmel schüttelte. Ich ging die vier Schritte zu meinem Schreibtisch hinüber und nahm ein paar Blatt Papier aus dem Drucker. »Ich habe gerade eine Kolumne über Möbelstücke geschrieben, die einen schlecht aussehen lassen. Sie wissen schon, tieflehnige Sofas, in denen man automatisch ein Doppelkinn bekommt, Sessel mit Kunstlederüberzügen, die sich an den Beinen festsaugen und peinliche Geräusche machen. Und natürlich Möbel, deren Beine länger sind als meine. Wollen Sie’s lesen?«
    »Schätzchen«, sagte Marianne und lachte gackernd. »Wer will schon was über Couchtische lesen?«
    »Ich meinte eigentlich Barhocker«, sagte ich wenig schlagfertig und blinzelte verunsichert. Das war heute schon das zweite Mal, dass ich einen Seitenhieb über meine Figur einstecken musste. Das heißt, beim ersten Mal war es eigentlich kein Seitenhieb gewesen, sondern eine ziemlich direkte Beleidigung.
    Ich hatte nämlich eine kleine Auseinandersetzung mit Helena gehabt, die entgegen unserer Absprache noch nicht zurück in ihre Fabrikhalle gekehrt war. Heute Morgen war sie auf der Suche nach ihrem Totenkopf-T-Shirt und ihrer schwarzen Röhrenjeans nur mit einem schwarzen Höschen bekleidet in die Küche gekommen.
    »Wo sind meine Sachen, ey?«, hatte sie unfreundlich gefragt, und ich hatte ebenso unfreundlich geantwortet: »Die hängen nebenan auf der Wäscheleine.«
    »Was, ey?«
    »Ich habe sie im Flur gefunden, da standen sie von ganz alleine herum, und ich dachte, ich wasche mal die Läusenester da raus.«
    »Ja, ey, Scheiße, ey, und was soll ich jetzt anziehen?«, hatte Helena, die undankbare Todesfee, gefragt, und ich hatte geantwortet: »Du kannst natürlich ein paar Sachen von mir geliehen haben.«
    »Was, ey?«, hatte Helena aufgekreischt. »Was soll ich denn mit deinen Sachen anfangen, ey? Etwa Zelten gehen, ey? Ey scheiße, Mann, mit diesen Übergrößenteilen gehe ich doch nicht auf die Straße!«
    Ich redete mir ein, dass jemand wie Helena mich – ey – wirklich nicht – ey – beleidigen konnte, aber ich war natürlich doch getroffen gewesen, genau wie jetzt, als Marianne das mit den Couchtischen sagte.
    Das einzig Tröstliche war, dass Birnbaum nicht über ihre Bemerkung lachte. Obwohl, näher besehen war es vielleicht doch nicht so tröstlich, denn es konnte einfach bedeuten, dass er meine Beine tatsächlich für kurz hielt.
    »Was veranstalten Sie da eigentlich mit dem Marsriegel«, fragte er Marianne. »Das ist ja ekelhaft.«
    Marianne warf das Mars in den Papierkorb. »Ich esse die Dinger nicht wirklich, ich brauche nur ab und an mal den Geschmack von Schokolade in meinem Mund. Das kurbelt nachweislich die Kreativität an.«
    »Dann hoffen wir mal, dass es wirkt«, sagte Birnbaum, nahm mir die Blätter aus der Hand und überflog meine Kolumne. Während er las, sah ich bescheiden auf den Boden, auf Birnbaums Schuhe. Sie waren teuer, gut geputzt, wahrscheinlich handgenähtes, italienisches Design. (Aber ehrlich – wer kann das schon erkennen?)
    Seine Socken waren sicher auch aus feinstem Zwirn, aber er hatte zwei unterschiedliche an, einen schwarzen und einen dunkelgrauen. Irgendwie rührte mich der Anblick.
    »Sie, äh«, sagte ich.
    »Schon gut.« Er sah grinsend zu mir hinunter. »Was machen Sie eigentlich, um Ihre Kreativität anzukurbeln, Johanna?«
    »Heute waren es Gummibärchen und Schokoküsse«, sagte ich ehrlich. »Und ein Thunfischsandwich. Ich habe aber alles richtig aufgegessen, nicht nur abgelutscht.«
    Marianne murmelte etwas, das wie »Sieht man«, klang.
    »Es scheint geholfen zu haben, Ihre Kolumne ist wieder mal richtig witzig«, sagte Birnbaum dessen ungeachtet. »Also, nehmen Sie sich ein Beispiel, Marianne, hören Sie auf, sich auf Verlagskosten im Internet zu amüsieren, und setzen Sie sich auch mal auf Ihren faulen Hintern, um zu schreiben.« Er blickte auf seine Uhr. »Nanu, schon so spät! Ich muss in einer halben Stunde auf dem Golfplatz stehen. Haben Sie auch einen Kuss für mich, Johanna?«
    Ich sah ihn verblüfft an.
    »Einen Schokokuss natürlich«, sagte Birnbaum.
    »Ach so, natürlich.« Ich reichte ihm die Schachtel hinüber. Er nahm sich einen Schokokuss hinaus und steckte ihn sich auf einmal in den Mund.
    »So isst man doch keinen Schokokuss«, sagte ich.
    »Nur so kann man die

Weitere Kostenlose Bücher