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Lügen, die von Herzen kommen: Roman (German Edition)

Lügen, die von Herzen kommen: Roman (German Edition)

Titel: Lügen, die von Herzen kommen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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nach einem halbwegs netten Mann zu durchsuchen. Vergebliche Liebesmüh.
    Auf dem Bildschirm erschien Jörn, (27). Der war immerhin nicht ganz so wählerisch: Bei ihm durften sich auch Frauen »der älteren Liga« melden, weil es ihm »bei prickelndem, hemmungslosen Sex nicht so sehr auf Äußerlichkeiten« ankam. Wie großzügig.
    »Und – wie kommen Sie vorwärts?« Das war Birnbaum, der sich von der Seite angeschlichen hatte. Marianne schob hastig den Schokoladenriegel, an dem sie seit über zwei Stunden herumknabberte, ohne dass er kleiner wurde, in die Schreibtischschublade und versuchte so auszusehen, als habe sie die letzten drei Stunden hart gearbeitet. Ich verlagerte lediglich mein Gewicht vom linken auf den rechten Fuß. Mein Gewissen war rein.
    Birnbaum beugte sich vor, wobei er meine Schulter als Ablage für seine Hand benutzte. Interessiert studierte er Jörns Persönlichkeitsprofil auf Mariannes Bildschirm. »Hobbies: Surfen, in Klammern: Internet. Wie sportlich.«
    Ich konnte nicht umhin festzustellen, dass Birnbaum gut roch, nach Kaugummi und einem würzig-fruchtigen Eau de Toilette. Obwohl er im Laufe eines Tages zusehends verwahrloste (der Bart wuchs, die Haare verstrubbelten, der Anzug verknitterte, und die Krawatte löste sich spätestens um die Mittagszeit in Luft auf), roch er dennoch wie frisch geduscht.
    Birnbaum schien sich mit ähnlichen Gedanken zu befassen. »Hm, tolles Parfüm«, sagte er. »Wie heißt es?«
    »Pampelune«, sagte ich etwas verlegen. »Und Ihres?«
    »Wir schauen uns jetzt seit Stunden die Bekanntschaftsannoncen an«, unterbrach uns Marianne. »Aber die Typen sind entweder zu alt oder zu jung oder zu pervers. Oder sie machen zu viele Rechtschreibfehler. Der Richtige war jedenfalls noch nicht dabei.«
    »Der Richtige?« Birnbaum richtete sich wieder auf, verschränkte die Arme vor seiner breiten Brust und bedachte uns mit einem seiner überlegenen Blicke. »Ich glaube, Sie haben mich falsch verstanden. Sie sollen hier einen Artikel schreiben und nicht den Mann fürs Leben suchen. Beeilen Sie sich mal ein bisschen. Am Freitag ist Redaktionsschluss.«
    »Sagten Sie nicht, die Sache solle niveauvoll werden?«, fragte Marianne, klickte Jörn beiseite und stattdessen Thomas, (30), ins Bild. »Habe fast siebenjährige Beziehung hinter mir, wo sie mich betrogen hat … hasse Arroganz … Verstehen Sie, was ich meine?«
    Birnbaum grinste, wobei er seine spitzen Eckzähne entblößte. In einem früheren Leben musste er mal ein Wolf gewesen sein. »Immerhin hat er Humor. Bei Beruf hat er ›habe ich‹ geschrieben. Aber wo ist der bitte pervers?«
    »Einen Augenblick.« Marianne öffnete eiligst das Persönlichkeitsprofil von Mike (29). Wenn du bi bist und eine Freundin hast, bring sie einfach mit. »Ist das pervers genug?«
    »Oh ja, das ist wirklich pervers: Hobbies: kultiviertes Motorradfahren, in Klammern BMW«, las Birnbaum. »BMW! Als ob es Dukati und Motoguzzi gar nicht gäbe.«
    Marianne klickte Mike kopfschüttelnd fort und stattdessen Uwe, (31), Beruf Fernsehbranche an: Was zählt ist der Wunsch nach unkomplizierter aber dennoch erweiterter Lustbefriedigung zwischendurch. Meine Tabus liegen bei Brutalem und KV.
    »Der ist ja mal kein Legastheniker«, war Birnbaums Kommentar. »Aber was ist KV? Seien Sie doch so nett und klären mich auf, Johanna.«
    »Ich habe keine Ahnung«, musste ich zugeben. »Ich dachte immer, das steht für Kirchenvorstand. Oder Köchelverzeichnis .«
    »Vielleicht heißt das, dass Uwe bei Mozartmusik nicht kann?«, überlegte Birnbaum. »Ist KV nicht auch die Abkürzung von Krankenversicherung? Möglicherweise hat Uwe ja was gegen Sex mit Kassenpatientinnen.«
    Wir kicherten einvernehmlich.
    »KV heißt Kaviar«, sagte Marianne.
    Birnbaum und ich schauten sie gleichermaßen verblüfft an.
    »Sind Sie sicher?«, fragte Birnbaum. »Woher wissen Sie das?«
    Marianne guckte angelegentlich auf ihren Bildschirm. »So was weiß man eben«, sagte sie.
    »Kaviar? Und was weiter?«, fragte ich. »Ich meine, was bedeutet das?«
    Keiner antwortete mir. Entweder wussten sie es auch nicht, oder es war etwas so unaussprechlich Verdorbenes, dass sie es mir nicht verraten wollten.
    »Dann frag ich eben Carla«, sagte ich. »Die ist nicht so verklemmt.«
    »Was haben Sie eigentlich an diesem Schreibtisch zu suchen, Johanna?« Birnbaum entsann sich wieder seiner Aufgabe, Angst und Schrecken unter seinen Mitarbeitern zu verbreiten. »Sie sitzen doch an dieser

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