Lügen haben hübsche Beine
unbewusst immer wieder kurze, vielsagende Blicke zuwarfen.
Irgendwann fiel Jill auf, dass die Gäste an den Nachbartischen immer zu ihnen herüberschauten und leise miteinander tuschelten.
Als sie gerade dabei waren, die letzten Schlucke ihres Kaffees zu trinken, kam einer von ihnen an ihren Tisch und legte Harriet mit einem süffisanten Lächeln eine Zeitung hin.
»Ich dachte, das würde Sie vielleicht interessieren«, grinste er, »Einen schönen Tag noch.«
Er verschwand, und überrascht klappte Harriet die Zeitung auseinander.
Sekunden später wurde sie kreidebleich, sprang von ihrem Stuhl auf, so abrupt, dass ihre Tasse umfiel und sich der Kaffee sintflutartig über das weiße Tischtuch ergoss.
Ohne ein Wort zu sagen, stürmte sie aus dem Frühstücksraum, und verwundert griff Craig nach der Zeitung. Er schaute kurz darauf, reichte sie danach kommentarlos an Mick weiter. Anschließend stand er auf und folgte Harriet nach draußen.
Micks Gesicht wurde erst weiß, dann rot, und wie Harriet fuhr er ebenfalls hoch und stürzte hinaus.
Die Zeitung machte die Runde am Tisch, wurde schweigend von Hand zu Hand gegeben, und landete schließlich bei Mandy.
Jill, die neben ihr saß, beugte sich über ihre Schulter, warf einen Blick darauf und schnappte nach Luft.
Die Schlagzeile lautete: »Skandal bei den Super-Models – Jurymitglied Mick Fairgate: Unzucht mit Minderjährigen?«
Direkt darunter prangte ein großes Bild von Mick mit der Unterschrift: »Mick Fairgate – Der Wolf im Schafspelz«
Daneben war ein längerer Artikel abgedruckt, den Jill hastig überflog. Es ging im Wesentlichen um die damalige Anzeige wegen Unzucht mit einer Minderjährigen sowie um die Behauptung, Mick habe sich regelmäßig an Teilnehmerinnen der Sendung vergriffen. Um diese beiden Hauptinhalte herum gab es viele Behauptungen und Spekulationen, ferner hieß es, alle Informationen stammten aus einer seriösen Insider-Quelle.
Mandy ließ die Zeitung sinken, schob sie weiter zu Cloe, die schon gespannt wartete.
Fassungslos starrte Jill in ihre Kaffeetasse, versuchte den Schock zu verdauen. Schließlich erhob sie sich ebenfalls und verließ den Frühstücksraum. Nachdenklich machte sie sich auf den Weg zu Craigs Bungalow.
Als sie den Artikel gelesen hatte, war ihr sofort klar gewesen, wer diese Insider-Quelle war, es konnte sich nur um Emily handeln. Die Drohung, die sie nach ihrem Ausscheiden ausgestoßen hatte, war eindeutig gewesen. Und nun war auch klar, wer den Brief geschrieben hatte, den sie bei Mick gefunden hatte, es konnte nur Emily gewesen sein. Aus irgendeinem Grund hatte sie von der alten Anzeige gewusst, und Mick damit erpresst.
Jetzt war nur die Frage, ob Mick sich auch mit Kandidatinnen eingelassen hatte, ob er etwas mit den Fotos von Lucy Hollister zu tun hatte, und wie die ganzen anderen Dinge dazu passten.
Als sie an Craigs Haus ankam, stellte sie fest, dass er nicht da war. Die Tür war verschlossen, und sie ahnte, dass er wohl bei Harriet sein würde.
Sie drehte sich um und lief den kurzen Weg zu ihrem Bungalow hinüber, schloss die Tür auf und ging hinein.
Rasch überprüfte sie ihr Handy, aber außer drei Anrufen von ihrer Mutter waren keine Nachrichten eingegangen. Nachdem sie bemerkt hatte, dass der Akku fast leer war, stöpselte sie das Gerät mit dem Ladekabel an eine Steckdose an und griff dann zum Telefon.
Wenig später hatte sie Walter am Ohr.
»Hi Walt, ich bin‘s. Hast du schon die Schlagzeile in der ‚Global Post‘ gesehen?«
»Ja«, bestätigte er, »habe ich. Erst war ich gar nicht begeistert, doch nach längerem Überlegen bin ich der Meinung, dass uns das eventuell nützlich sein könnte.«
»Inwiefern?«
»Nun, morgen ist der letzte Tag, und wir haben noch nichts Verwertbares in der Hand außer etlichen unbrauchbaren Indizien und Vermutungen. Vielleicht hat der Artikel jetzt aber etwas ins Rollen gebracht. Wenn Mick Fairgate etwas mit den Fotos von Lucy Hollister zu tun hat, werden der Fotograf und alle Übrigen, die da mit drin stecken, nach diesem Bericht jetzt eventuell ein bisschen nervös werden. Immerhin müssen sie damit rechnen, dass eine Menge Leute jetzt eine Menge Fragen stellen werden. Und wer nervös ist, macht Fehler, also können wir hoffen, dass vor dem morgigen Abend noch irgendetwas passieren wird, was uns eine Möglichkeit gibt, zuzugreifen.«
»Was soll ich tun?«
»Du machst gar nichts, außer deine Augen und Ohren offen zu halten. Verhalte dich unauffällig und halte dich zurück.
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