Lügen haben hübsche Beine
den letzten Tagen, die sie mit ihm verbracht hatte, es wäre ihr wie ein Verrat vorgekommen.
Langsam zog sie sich aus und betrat das Bad.
»Das ist unsere letzte Nacht«, dachte sie wehmütig, als sie aus der Dusche stieg. »Morgen noch ein paar Stunden, dann werde ich ihn nie wiedersehen.«
Rasch wischte sie sich die aufsteigenden Tränen aus den Augen, sie wollte sich nicht anmerken lassen, wie aufgewühlt sie innerlich war.
In ein Badehandtuch gewickelt ging sie hinüber ins Schlafzimmer und ließ sich von Craig einreiben.
»Du siehst immer noch aus wie ein abstraktes Kunstwerk«, frotzelte er, während er vorsichtig die Salbe auftrug.
»Notfalls ziehe ich morgen einen Taucheranzug an«, ging sie darauf ein, obwohl ihr überhaupt nicht nach Scherzen zumute war.
Ihm schien es ähnlich zu ergehen, behutsam nahm er sie in den Arm, küsste sie, liebkoste sie, bis sie ihn sehnsüchtig über sich zog. Wie eine Ertrinkende klammerte sie sich an ihn, drängte sich ihm so heftig entgegen, als wolle sie ihn für immer in sich aufnehmen. Mit einer fast qualvollen Mischung aus Verzweiflung und Begierde erwiderte sie seine Bewegungen, und als sie im Moment der Erlösung lustvoll seinen Namen rief, klang es beinahe wie ein Schmerzensschrei.
Die Nacht war viel zu schnell vorbei. Es dämmerte bereits, als Jill erwachte. Eng umschlungen von Craigs Armen lag sie neben ihm, und während sie seinen regelmäßigen Atemzügen lauschte, wünschte sie, er würde sie nie wieder loslassen.
Sie hob den Kopf, betrachtete sein schlafendes Gesicht, er sah erschöpft und sorgenvoll aus.
»Offenbar hat ihn die Sache doch mehr mitgenommen, als er zugeben wollte«, dachte sie mitleidig.
Sanft strich sie ihm übers Haar und er öffnete die Augen.
»Guten Morgen«, murmelte er verschlafen, »Wie lange beobachtest du mich schon?«
»Eine ganze Weile«, gab sie zu. »Du hast so bekümmert ausgesehen.«
»Vielleicht habe ich schlecht geträumt«, sagte er ausweichend und zog sie in seine Arme.
Eine Zeit lang lagen sie schweigend da und hielten sich fest. Schließlich sagte sie zögernd: »Craig?«
»Ja?«
»Ich weiß, dass du dir Sorgen machst. Wenn ich irgendetwas für dich tun kann …?«
Er hob den Kopf, schaute sie einen Moment überrascht an, dann lächelte er. »Nein, aber danke für das Angebot. Mach dir keine Gedanken, es wird sich alles regeln.«
77
N achdem sie noch eine Weile im Bett gelegen und gekuschelt hatten, stand Craig auf.
»Ich muss kurz im Büro anrufen«, erklärte er, und verschwand im Wohnzimmer.
Seufzend krabbelte Jill aus dem Bett und ging ins Bad. Sie duschte ausgiebig, schlang sich ein Handtuch um, nahm die Flasche mit dem Franzbranntwein und die Salbe.
»Craig, könntest du …«, fragte sie, während sie die Tür zum Wohnraum öffnete, und der Rest des Satzes erstarb auf ihren Lippen.
Die Eingangstür war offen, davor stand Cloe, die sich scheinbar gerade mit Craig unterhalten hatte. Als Cloes Blick auf die halbnackte Jill fiel, riss sie entgeistert die Augen auf. Sekundenlang starrten die beiden sich an, dann hatte Cloe sich als Erste wieder gefangen. Die Situation war mehr als eindeutig, es gab keinen Zweifel daran, aus welchem Grund Jill fast unbekleidet und mit nassen Haaren aus Craigs Schlafzimmer kam.
Ein bösartiges Grinsen glitt über Cloes Gesicht. »Sieh mal einer an, jetzt wird mir so einiges klar«, murmelte sie hämisch.
Sie nickte Craig noch kurz zu, drehte sich um und eilte davon.
Wie angewurzelt stand Jill da und versuchte zu begreifen, was da gerade geschehen war.
»Ich … es tut mir leid, ich habe nicht gehört, dass es geklopft hat, sonst wäre ich doch nicht so hier rein gekommen«, sagte sie dann entsetzt.
Craig kam auf sie zu und drückte sie beruhigend an sich. »Mach dich deswegen jetzt nicht verrückt, in ein paar Stunden ist sowieso alles vorbei«, lächelte er gelassen und nahm ihr die Flasche aus der Hand.
»Was hat Cloe denn gewollt?«, fragte Jill misstrauisch, während er ihr den Rücken einrieb.
»Sie hat nach einem Aspirin gefragt.«
»Nach einem Aspirin«, wiederholte Jill lakonisch. »Etwas Blöderes ist ihr wohl nicht eingefallen? Ich glaube sie hat ganz absichtlich hier geklopft, in der Hoffnung irgendetwas zu finden – und das hat sie ja dummerweise auch.«
»Tss, du wirst doch der armen Cloe keine bösen Absichten unterstellen, oder?« Craig zwickte sie spielerisch in die Taille. »So, fertig mit einreiben, und jetzt schwing deine hübschen Beine ins Schlafzimmer und zieh
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