Lügen haben rote Haare
Gundula gegenüber den Namen Paul sowie die Störtebekerwiese nicht zu erwähnen.
Mir ist plötzlich ganz unwohl. Das Rauchen bekommt mir nicht, die Schwindeleien wachsen mir ebenfalls über den Kopf. Ich sehne mich nach meinem Bett, ich muss in Ruhe nachdenken. Jeder Erfolg hängt schließlich von der richtigen Planung ab.
18. Die Kodderliese
Normalerweise ist Freitag für mich der schönste Tag in einer Arbeitswoche. Ab 14 Uhr frei, gammeln, ausgehen, alles tun und lassen können, was Spaß macht.
Der heutige Freitag liegt duster wie ein Tunnel vor mir. Wie die meisten Menschen, die ich kenne, hasse auch ich Tunnel. Ich erinnere mich mit Grausen an den Elbtunnel. Meine Eltern verschwiegen vor jeder Autofahrt, wenn wir, aus was für Gründen auch immer, durch diesen matt beleuchteten Schlauch fahren mussten. Als ich noch nicht lesen konnte, hat meine Mutter immer kurz vorher gesagt, » Karo, Augen zu und Finger in die Ohren .« Als ich lesen konnte, wusste ich von alleine, ab wann Augen zu und durch . Die Finger steckte ich nicht mehr in die Ohren, sondern hörte genau zu, wie Oma Fine die Sekunden zählte. Sie litt wohl ebenfalls unter Beklemmungen.
Wenn meine Lieben sich mit dem Kaffee trinken beeilen würden, wäre um 17:15 Uhr das Schauspiel vorüber. Ich widerstehe dem Versuch, Geigenpaul anzurufen, um mich zu erkundigen, ob er noch krank im Bett liegt. Mürrisch sitze ich am Schreibtisch, versuche krampfhaft, Brunis gute Laune zu ertragen, was mir jedoch sehr schwer fällt. Ihr Sprachschatz hat sich auf wenige Worte reduziert. Heiner, Heiner und nochmals Heiner. Küssen, knutschen, fummeln, Rotwein. Das warʼs auch schon.
Um kurz vor zwölf entschuldige ich mich mit heftigen Magenschmerzen. Bruni bleibt mit ihrem Heiner im Büro zurück. Hoffentlich vergessen die nicht zu renovieren.
Der Schildermacher sieht mich verdutzt an. Es kommt wohl selten vor, dass jemand an zwei Tagen hintereinander Namensschilder gravieren lässt. Ich wähle den gleichen Rohling, wenige Minuten später halte ich das Kunstwerk in den Händen. Es ist schön geworden, der Mann kann was! Auf dem Schild steht Paul . Einfach nur Paul .
Der erste Stepp ist vollbracht, es ist fast wie Laufen lernen. Ein Schritt nach dem anderen. Zu Hause packe ich zuerst die Kaffeelöffel, die Bruni gemopst hat, in das Seitenfach meines Trolleys, danach folgen einige meiner Lieblingssachen, die ich in Geigenpauls Schrank hängen werde.
Conny kann so schrecklich neugierig sein, ich darf keinen Fehler machen. Alles muss stimmig sein. Ich stopfe ebenfalls meinen grünen Bikini in mein Gepäck. Nach dem ganzen Hickhack werde ich im Schwimmbad noch einige Runden drehen, für Ordnung sorgen und am Ende sämtliche Spuren verwischen. Nur noch wenige Stunden Nervenstress, dann hätte ich endlich alles überstanden. Meinen Besuch werde ich mit den Worten empfangen, dass es Paul wahnsinnig Leid täte, aber er würde mit neununddreißig Grad Fieber im Hotel das Bett hüten müssen. In der kommenden Woche werde ich zutiefst enttäuscht Conny recht geben, dass ich ein Schaf gewesen sei. Es hätte sich herausgestellt, dass Paul statt mit Fieber mit einer rassigen Kubanerin im Bett gelegen hätte. Dass ich so einen Mann freiwillig in den Wind schieße, würde sie mir erst recht nicht glauben. Conny wird meinen Beziehungscrash wohlwollend zur Kenntnis nehmen, was soll’s.
Drei Stunden bevor meine Sippschaft kommt, ist das Schildchen am Briefkasten entfernt und das an der Haustür überklebt.
Die Kaffeelöffel wandern zurück in die Küchenschublade. Im Anschluss bestücke ich den Kleiderschrank, danach suche ich aus der Fotokiste die schönsten Aufnahmen von Paul heraus. Meine Mutter und Conny werden neugierig sein, wie er aussieht. Ich gebe Heike Gebauer recht. Es ist jammerschade, dass er schwul ist. Sein dunkles Haar glänzt und sieht ständig unfrisiert aus. Seine Gesichtszüge sind ebenmäßig, die grünen Augen stets am Lachen. Ja, man kann sagen, Paul Geiger ist ein sehr gut aussehender Mann.
Ich lege die Aufnahmen auf den kleinen Sekretär, der neben dem Fenster steht. In der zweiten Etage öffne ich neugierig sämtliche Türen, schließlich muss ich wissen, welche Räume es noch in diesem Haus gibt. Es ist nicht auszuschließen, dass Conny das gesamte Haus sehen will. Ich entdecke ein Arbeitszimmer mit einer riesigen Fensterfront, man kann das gesamte Grundstück überblicken. Ich stelle mich auf Zehenspitzen und entdecke im hinteren Teil des riesigen
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