Lügen haben rote Haare
Flasche Sekt. Davon können wir ja nicht leben. Und dann essen wir lecker, danach wird Karo uns sicher das schöne Haus zeigen wollen.«
Oh, ja … und wie ich will!
Opa Heini setzt dem Ganzen noch die Krone auf. »Im Garten steht ein gemauerter Grill. Also, ich habe auch keine Lust mehr auf Soderstorf.«
Mein Vater fügt ergänzend hinzu, dass es hier ja auch viel billiger sei. Ich merke, dass ich die Situation nicht mehr in andere Bahnen lenken kann. Ich will mich zwar nicht versündigen, aber in diesem Moment beneide ich Gundula Piefke, dass sie keine Angehörigen hat. Bevor sich meine Mutter und Conny zum Einkaufen begeben, holt Anton drei kleine Trolleys aus dem Van.
Die Kinder kramen sofort nach ihren Badesachen.
Anton sagt per Handy dem Hotel in Soderstorf ab. Aus gesundheitlichen Gründen, versteht sich.
Entweder man vergisst zu trinken oder man trinkt, um zu vergessen. Ich liege in einem fremden Haus in einem fremden Bett, für den heutigen Abend habe ich die letztere Variante gewählt. Nach zwei Gläsern Rotwein, die ich vor Stunden auf leeren Magen getrunken habe, sieht die Welt ein klein wenig rosiger aus.
Meine Familie hat sich vorgenommen, bis morgen Nachmittag zu bleiben. Folglich bleibt mir der komplette Sonntag, um die Ordnung in dieser noblen Hütte wiederherzustellen. Gegen Ende des Abends, das muss ich zugeben, wurde es richtig gemütlich. Pauls Fotos kamen gut an, er sehe sehr sympathisch aus. Die Zwillinge waren kaum aus dem Wasser zu kriegen. Abwechselnd beaufsichtigten wir die Kinder, damit sie keinen Unsinn treiben konnten. Der Tisch auf der Terrasse wurde hübsch gedeckt, Opa Heini kümmerte sich um den Grill. Im Hintergrund lief leise griechische Musik, es herrschte eine Atmosphäre wie in einer griechischen Taverne.
Zu später Stunde gingen wir ins Haus, weil es draußen zu frisch wurde. Nachdem mein Vater den Kamin kräftig angeheizt hatte, machte allgemeines Naserümpfen die Runde, weil es nach verbranntem Gummi roch. Ich entschuldigte meinen Lachanfall mit den Worten: »Der Wein bringt mich zum Kichern.«
»Karo, du hast das große Los gezogen«, sinnierte Anton, die anderen stimmten ihm zu.
Besonders Conny war sehr angetan von allem. Fast neidisch gab sie zu, dass sie mir nie zugetraut hätte, einen so fetten Goldfisch, sprich Paul, zu angeln. Plötzlich sah sie mich mit anderen Augen. Die sonore Stimme eines Navigationsgerätes würde jetzt sagen: » Sie haben Ihr Ziel erreicht. Sie haben Ihr Ziel erreicht.«
19. Meine schrecklich nette Familie
Am nächsten Morgen fühle ich mich nicht mehr ganz so fremd in ›unserem‹ Schlafzimmer. Beschwingt hüpfe ich aus den Federn und absolviere zwei Kniebeugen. Ich öffne das Fenster, herrlich, die frische Luft durchströmt meine Lungen.
Die letzten Stunden innerer Anspannung werde ich auch noch überstehen. Die Armatur der Dusche gibt ein quietschendes Geräusch von sich, als ich den Hebel Richtung Heißwasser schiebe. Der Wasserdruck ist aber nicht in Ordnung. Der ›müde‹ Strahl weckt trotzdem meine Lebensgeister. In der Küche werkelt meine Mutter, sie hantiert mit Tassen und Tellern, in einem Brötchenkorb liegen frische Brötchen, die wohl ein Mitglied meiner schrecklich netten Familie besorgt hat. Nach einem beschwingtem »Guten Morgen« drückt sie mir einen Teller mit Wurst, einen mit Käse in die Hand.
»Stellst du die bitte auf den Terrassentisch, Karo?«
Opa Heini, mein Vater und Anton sitzen bereits auf den gepolsterten Stühlen, sie teilen sich eine Hamburger Morgenpost. Conny braucht wohl noch eine Weile, sie kommt morgens nicht so flott in die Gänge.
Opa lugt über den Zeitungsrand. »Karo, die Stauden dahinten sind verkehrt eingepflanzt. Die Brennende Liebe und die Bergflockenblume sind Sonnenpflanzen. Ich werde sie gleich nach dem Frühstück umsetzen.«
»Nein, Opa … bitte.«
»Der Duschstrahl im Bad ist eine Katastrophe«, mischt sich mein Vater ein. »Nach dem Frühstück werde ich mich darum kümmern.«
Ich möchte laut »Nein« kreischen, es funktioniert jedoch nicht. Meine Stimme versagt regelrecht, es kommt nur ein leises Krächzen über meine Lippen.
»Hast du dich erkältet?« Meine Mutter stellt ein Tablett auf den Tisch. Es scheppert.
Ich schüttele den Kopf und räuspere mich. Warmhaltekannen mit Kaffee, Kakao, Marmelade und Butter werden flugs auf dem Tisch verteilt.
»Hermann, unter dem Spülbecken tropft es. Es scheint eine Dichtung porös zu sein.«
»Hm, hier ist so einiges
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