Lügen haben rote Haare
zurück auf die Ladestation. Meine Gedanken kreisen. Jetzt wird es kompliziert, ich ahne Schlimmes.
Geigenpaul öffnet seinen Aktenkoffer und zieht einen rosa Briefumschlag aus einem Seitenfach und schiebt ihn zu mir rüber.
»Lies mal, Frau van Goch. Ist der Text so in Ordnung? Bert hat ihn verfasst.«
»Bert?« Ich kapiere nicht.
»Ja, Adalbert …« Er macht eine bedeutungsschwangere Pause. »Mein Freund … du weißt schon.«
Meine Finger zittern leicht, als ich den Umschlag öffne. Ich erfasse den Text nicht, will ihn auch gar nicht erfassen. Stumm nicke ich mit dem Kopf.
Bruni klopft leise und lässt Ulrike eintreten.
Zögernd kommt sie, die olle Mütze fest an ihren Busen gepresst, vollkommen verstört, zum Schreibtisch.
Sie murmelt einen unverständlichen Gruß.
»Ah, guten Morgen, Frau Assmann. Na, dann geben Sie Frau van Goch mal den ›Schatz‹. Ich freue mich schon, Frau Pedersen den Umschlag überreichen zu dürfen. Mein Gott, so viel Geld, sie wird überrascht sein.«
Sein Blick wandert zwischen der Assmann und mir hin und her. »Ich muss schon sagen, es ist beeindruckend, wie spendabel die Belegschaft ist. Kommen immer so hohe Summen zusammen, wenn für einen freudigen Anlass gesammelt wird?«
Ulrike übernimmt das Antworten. »Ähm, nein. Brigitte Pedersen ist die Ausnahme. Weil … weil sie so beliebt ist.«
»Aha, das dachte ich mir doch.« Er lächelt mich an.
»Liebes, würdest du die Geldscheine, schön sortiert, in den Umschlag stecken?«
Ich laufe puterrot an, als er ganz spontan nach meinen Händen greift und sie zärtlich massiert. Zaghaft überreicht die Assmann mir das Filzteil, ich merke, wie sie krampfhaft versucht, die Situation zu erfassen. Ich wünsche, der Boden unter mir würde sich auftun, damit ich darin verschwinden könne, macht er aber nicht.
»Danke, Ulrike«, presse ich gequält hervor.
Geigenpaul entlässt die Ahnungslose, die es noch schafft, mir einen so giftigen Blick zu schenken, dass ich Lähmungserscheinungen in den Beinen verspüre.
Nachdem wir alleine sind, instruiert Geigenpaul staubtrocken: »Es wird eine Weile dauern, bis die Belegschaft geschluckt hat, dass wir liiert sind. Du wirst Schwierigkeiten bekommen, denn im Grunde bist du der Judas unter den Aposteln. Aber, Frau van Goch, das wird sich legen. Ich bin mir ganz sicher, dass dir entsprechende Erklärungen einfallen werden, mit denen du deine Kolleginnen und Kollegen wieder versöhnlich stimmen wirst.«
Meine Handflächen werden feucht und ich verspüre große Lust, diesen Mann rechts und links zu backpfeifen.
»Im Beisein unserer Mitarbeiter werden wir wie ein verliebtes Paar miteinander umgehen …«
Als er merkt, dass ich seinen Redeschwall unterbrechen möchte, hebt er die Hand und spricht demonstrativ lauter.
»Außerdem darfst du dich während der Zeit, für die unser Abkommen gilt, nicht mit anderen Männern treffen. Das würde zu noch mehr Gerüchten führen. Ich gehe davon aus, dass du Verständnis dafür hast. So, das wäre das Wichtigste für den Anfang.«
Ich koche wie ein Dampfdruckkessel.
»Gut, Herr Geiger, soweit habe ich alles verstanden. Jetzt bin ich dran! Meine Familie ist mir sehr wichtig. Einen Abend in der Woche wirst du dir die Zeit nehmen müssen , mit uns gemeinsam am Tisch zu sitzen. Besonders wichtig ist, dass du im Beisein meiner Schwester Conny nett zu mir bist. Sie ist sehr misstrauisch, sie würde den kleinsten Fingerzeig, dass wir kein Paar sind, bemerken. Damit du informiert bist, sie ist schwanger, wieder mit Zwillingen und ein sehr launischer Mensch. Mama, Papa, Opa Heini, Anton sowie die Zwillinge sind unkompliziert. Ähm … meine Familie weiß allerdings erst seit gestern, nachdem du gegangen bist, dass du mein Chef bist. Ich hatte das vorher nicht erwähnt.«
Geigenpaul spitzt die Lippen und nickt. Ich habe das Gefühl, er unterdrückt ein Grinsen. Der macht sich doch nicht etwa schon wieder lustig über mich? Wütend verlasse ich sein Büro.
Bruni empfängt mich sofort mit der Nachricht, dass Ulrike mich eine schleimige, falsche Schlange mit einer gespaltenen Zunge genannt hat. Das einzig Positive an diesem Tag ist, dass Brigitte sich über den unerwarteten Geldsegen freuen wird. Auf dem Weg in die Kantine verspüre ich das Bedürfnis, einen Abstecher in die Buchhaltung zu machen, um Ulrike und Heike reinen Wein einzuschenken, zu gestehen, dass alles nur ein Spiel auf Zeit ist. Ich traue mich jedoch nicht. Die beiden haben ein loses
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