Lügen haben rote Haare
Mundwerk und würden mit Sicherheit nicht dicht halten. Dieser Schuss würde nach hinten losgehen.
Nachdem ich alles Notwendige mit Ingo, dem Chefkoch der Kantine, besprochen habe, verfasse ich eine lustige Rundmail an die Belegschaft, dass Brigitte mit Esther kommen wird.
Bruni plagt ein schlechtes Gewissen, wenn sie nicht getratscht hätte, wäre ich jetzt nicht in dieser Situation. Ich beruhige sie. Es bringt nichts, die Schuld von hier nach da zu schieben. Letztendlich habe ich meiner Freundin klar gemacht, dass ich das ›bisschen‹ schon stemmen werde. Im Grunde bin ich dankbar, dass meine Familie nicht über jede meiner Schwindeleien informiert ist.
Brigitte kommt bereits gegen 11 Uhr in unser Büro, Bruni und ich sind ganz hingerissen von der kleinen, niedlichen Esther. Für einen winzigen Moment vergesse ich meine Probleme. Als ich Esther in den Armen halte, gesellt sich Geigenpaul kurz zu uns. Er schenkt mir einen sehnsüchtigen Blick, legt einen Arm um meine Schultern und kneift mich zärtlich in die Wange. »Na, daran sollten wir auch so schnell wie möglich arbeiten.«
Brigitte steht mit offenem Mund da, hinter ihrer Stirn arbeitet es gewaltig. Im Beisein von Geiger lässt sie sich nichts anmerken, doch sobald er wieder in sein Büro verschwindet, platzt es aus ihr heraus.
»Wow, Karo. Du und der Chef?«
Ich lache verunsichert, sie sieht Bruni mit zusammengekniffenen Augen an.
»Du hast doch erzählt, dass der schwul ist! Dann stimmt das ja gar nicht! Puh, gut, dass ich das nur Heike Gebauer anvertraut habe.«
Ja, gut, dass sie das nur Heike anvertraut hat.
Brigitte überlegt einen Moment. »Aber, von wem hast du den Schwachsinn eigentlich, ich meine … wer hat dir das erzählt?«
Brunis Gesichtsfarbe wechselt von rot auf blass. »Ich weiß nicht mehr genau … ich habe da irgendwas aufgeschnappt.« Sie zuckt die Schultern. »Ist doch manchmal so, man schnappt was auf und schwupps, ist es eine ›Ente‹.«
Brigitte nickt.
Wie erwartet, erwidert kaum eine Kollegin oder Kollege meinen Gruß, als wir uns zum Sektempfang treffen. Als ich mich gewohnheitsgemäß neben Bruni unter das gemeine Volk mische, vernehme ich Geigers überaus nette Stimme. Ohne Scheu ruft er laut durch die Menge: »Kommst du zu mir, Karo?«
Unzählige Augenpaare folgen mir, als ich mich unwillig seinem Wunsch beuge.
Gerechterweise gebe ich zu, dass die Worte, die Geigenpaul wählt, rührend sind. Er bedauert, dass Frau Piefke nicht anwesend sei, erwähnt, dass sein Vater die kleine Esther bestimmt gerne kennengelernt hätte. In diesem Moment werden Taschentücher gezückt. Danach gibt er Brigitte zu verstehen, dass wir uns alle sehr über ihre Rückkehr nach der Zeit des Mutterschutzes freuen werden. Abschließend spricht er einen Toast auf Esthers Geburt aus, überreicht Brigitte mit den besten Wünschen der Belegschaft den Umschlag. Danach erntet er tosenden Applaus. Brigitte öffnet zaghaft den Umschlag. Sie ist überwältigt und bedankt sich stotternd mit rosigen Wangen. Wir stoßen alle an. Kurz darauf entschuldigt sich Paul. Vor versammelter Mannschaft wirft er mir einen Luftkuss zu und lässt mich in der Höhle des Löwen alleine. Brigitte gesellt sich zu ihren Kollegen hinter der Theke.
Mit einem Tablett bewaffnet schleiche ich hinter Bruni her, die unsere Stammsitzplätze ansteuert. Auf den Stühlen, auf denen wir täglich sitzen, liegen Handtaschen.
»Besetzt«, sagt Ulrike knapp und schneidet energisch an ihrem Schnitzel, Heike schaut verlegen drein.
»Quatsch!« Bruni stellt ihr Tablett auf den Tisch und hängt die Taschen über die Rückenlehne der Stühle. Ich mache es genauso.
»Wir sitzen immer hier. Seit Jahren. Und das werden wir auch weiterhin tun.«
Ulrike schnauft laut, dann kann sie nicht mehr an sich halten.
»Na, du bist ja eine tolle Kollegin, Karo. Hüpfst mit dem Chef heimlich in die Kiste und beteiligst dich gleichzeitig an einer Wette, ob er schwul ist oder nicht. Ich meine, mir ist es ja piep-egal, mit wem du … du weißt schon! Aber, dass du so eine falsche Schlange bist, das hätte ich nie von dir gedacht!«
Heike nickt zustimmend.
Mir fällt keine Rechtfertigung ein. Wenn das stimmen würde, haben die beiden recht, aber es stimmt ja nicht.
Bruni antwortet für mich. »Mensch, seid ihr doof? Das ist doch alles noch ganz frisch. Karo hat selbst mir verschwiegen, dass sie und Geigenpaul ein Paar sind. Und ich hätte mit Sicherheit mehr Gründe, auf Karo sauer zu sein, denn
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