Lügen haben rote Haare
sie ist nicht nur meine Arbeitskollegin, sondern auch meine Freundin. Heute Morgen, ich schwörʼs, erst heute Morgen hat sie es mir erzählt.« Bruni strahlt über das ganze Gesicht, offenbar war diese Erklärung ein Spontaneinfall. Sie hebt drei Finger ihrer rechten Hand. »Vater, Mutter, Kind … ich schwöre.«
»Stimmt«, füge ich leise hinzu. »Noch nicht einmal Bruni wusste davon. Erst gestern Abend haben der Geigenpaul, äh … Herr Geiger und ich beschlossen, es nicht mehr geheim zu halten.«
»Echt?« Heike fühlt sich nicht mehr ganz so veräppelt und Ulrike kämpft sichtlich mit einem Drei-gegen-eine-Gefühl. Ihre kleinen Schweinsäuglein huschen nervös zwischen Bruni und mir hin und her.
Bruni plappert weiter. »Aber mal ganz ehrlich, Ulrike, hättest du das jedem auf die Nase gebunden? Karo ist doch keine Tratschtante. Außerdem wird unsere liebe Karo das Berufliche vom Privaten trennen, nicht wahr, Karo? So wie Andre Agassi und Steffi Graf. Im Privatleben die große Liebe, während eines Matches auf dem Tennisplatz jedoch knallharte Gegner. Meinst du, die Steffi lässt sich die Butter vom Brot spielen … äh … nehmen?«
Ulrikes Fingernägel klappern auf der Kaffeetasse. Sie versucht, diesen Vergleich nachzuvollziehen. »Tja, da ist was dran. So betrachtet stimme ich dir zu.«
Bruni schraubt so lange am Gewinde, bis es nachgibt.
Ulrike sinniert mit starren Augen. »Meine Schwester war früher in der Schule, auf die meine Tochter Rebecca ging, als Sekretärin beschäftigt. Da gab es einen Sportlehrer, der meine Tochter ungerecht behandelte. Was habe ich auf den geschimpft. Und immer, wenn ich lästerte, dass er ein Arsch sei, hat sie gesagt: › Ja, das ist echt ein Arsch.‹ Dabei waren sie zu dieser Zeit schon heimlich verlobt. Ich bin fast ohnmächtig geworden, als ich davon erfuhr.«
Entrüstet saust Brunis kleine Faust auf den Tisch.
»Na, das schlägt ja dem Fass den Boden aus! Kein Wunder, dass du in dieser Richtung einen Klaps hast. Das solltest du unbedingt in einer Therapie verarbeiten. So ein Schicksalsschlag kann nach hinten losgehen.«
Heike legt mitfühlend einen Arm auf Ulrikes Hand. »Schlimm, von der eigenen Schwester belogen zu werden.«
Die Situation scheint entschärft zu sein, denn Ulrike lacht mich an. Ich lache zurück, schneide die Hälfte meines Omeletts durch und lege es Ulrike auf den Teller, die sofort herzhaft zulangt.
»Wie soll ich dir jetzt noch böse sein«, ruft sie laut.
Auf dem Weg zu unserem Büro umarme ich Bruni. »Du bist die beste, beste, beste Freundin der Welt. Du hast so perfekt argumentiert.«
»Ja«, meint sie stolz, »ich war richtig gut. Das macht jetzt die Runde. Dafür werden die beiden Buchhalterinnen schon sorgen.«
Kichernd betreten wir unser Arbeitszimmer und sehen durch die Glastür, dass Geigenpaul männlichen Besuch hat.
»Rutsch mal ein wenig rüber, Bruni, damit ich was sehen kann.«
Bereitwillig rollt sie mit dem Stuhl beiseite und zieht ihre Arbeitsutensilien hinterher. Jetzt habe ich freien Blick. Ich reiße ein gelochtes DIN-A4-Blatt aus einem Collegeblock, halte es quer und spähe durch die Löcher.
»Perfekt! Ich habe sie im Visier. Da soll mal einer sagen, dass Fernsehen blöde macht. Das habe ich mal in einem Agentenfilm gesehen.«
Bruni lacht so ansteckend, dass auch ich mich kaum beherrschen kann, ich erstatte Bericht.
»Die beiden unterhalten sich. Geiger steht auf … geht um den Stuhl … fasst ihn von hinten an die Schultern.«
Bruni singt leise die berühmte Textpassage von Gottlieb Wendehals: Das hebt die Stimmung, ja, da kommt Freude auf.
»Pst! … Jetzt … er beugt sich runter … und … geht wieder an seinen Platz. Er drückt seine Hand … Jetzt stehen sie auf … laufen beide zur Tür, sie kommen rau…«
Bruni reißt mir das Blatt aus den Händen, ich erkenne Adalbert, Geigers Freund, den ich auf der Beerdigung und dem Foto gesehen hatte. An Brunis Gesichtsausdruck sehe ich, dass auch sie im Bilde ist, wer Geigers Besucher ist.
»Karo? Frau Keller? Darf ich euch meinen Freund Bert Kübler vorstellen?«
Der hübsche Jüngling reicht zuerst mir, dann Bruni die Hand. Bert neigt seinen Oberkörper leicht in meine Richtung und schenkt mir ein breites Grinsen. »Paul hat mir schon viel von dir erzählt, ich darf doch ›du‹ sagen?«
Paul lacht. »Natürlich duzt ihr euch. Karo gehört ja jetzt quasi mit zur Familie.«
Dann bittet er mich, einen Flug für ihn und Bert am späten Abend
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