Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lügen mit Zahlen: Wie wir mit Statistiken manipuliert werden (German Edition)

Lügen mit Zahlen: Wie wir mit Statistiken manipuliert werden (German Edition)

Titel: Lügen mit Zahlen: Wie wir mit Statistiken manipuliert werden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Bosbach , Jens Jürgen Korff
Vom Netzwerk:
etwa die Verschuldung der Städte und Gemeinden, den Anteil der Abiturienten, die Anzahl der Einwohner pro Wohnung, das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf oder den für 2020 erwarteten Bevölkerungszuwachs beziehungsweise -verlust. Dann haben sie für jeden Indikator eine Schulnote vergeben und anschließend den Durchschnitt der 24 Schulnoten ermittelt. So erhielt Biberach die Gesamtnote 2,66. Rechnerisch korrekt, aber inhaltlich? Sind die ausgewählten 24 Indikatoren wirklich für alle deutschen Regionen – von Rügen bis Duisburg, von München bis zum Münsterland – ähnlich relevant für die Zukunft? Ist es korrekt, alle Indikatoren einfach zu mitteln, jedem davon also haargenau den gleichen Einfluss zuzumessen?
    Einer der Indikatoren fragt danach, ob Einwohner ausländischer Herkunft in der Region häufiger arbeitslos sind als der Durchschnitt der Bevölkerung. Das mag in Städten mit hohem Migrantenanteil ein Indiz für gute oder schlechte Integration sein – in Regionen mit geringem Ausländeranteil ist diese Größe irrelevant und sogar irreführend: Gegenden in Ostdeutschland, die die dort ansässigen Rechtsradikalen stolz zur »ausländerfreien Zone« erklärt haben, bekommen durch diesen Indikator sogar einen Pluspunkt für gute Ausländer-Integration. Ein anderer Indikator bewertet den Anteil der Hochschulabsolventen unter den Beschäftigten des Kreises. Was bedeutet dieser Wert für die Zukunft einer Tourismusregion wie das Sauerland?
    Schon die Umrechnung sozialer Daten, zum Beispiel der Anzahl der Einwohner pro Wohnung, in Schulnoten wirft viele Fragen auf und lässt hinter der glitzernden Fassade des Rankings ein reichlich naives, holzschnittartiges Denken vermuten. Gefährlich ist die Möglichkeit der Macher, das Ergebnis
durch Auswahl und Verteilung der Indikatoren gezielt zu beeinflussen. Wenn sie, wie hier geschehen, sechs Indikatoren aus dem Themenfeld Demografie einbauen, aber nur zwei aus dem Themenfeld Umwelt und Tourismus und keinen einzigen aus dem Themenfeld Freizeit und kulturelles Leben, dann präjudiziert diese Auswahl das Ergebnis. Die speziellen Interessen der Ersteller bekommen den Rang einer objektiven Bewertung, ohne dass die normalen Nutzer das erfahren.
    Auf Seite 290 finden Sie eine schöne Denkaufgabe zu diesem Thema.

6. Ablenkung: Hohe Beweisdichte im Umfeld des Knackpunktes
    »Von 100 Euro Lohn bleiben nur 64 übrig – Weniger Netto-Verdienst als 1995.« Mit dieser Meldung aus dem Jahr 2008 versuchten der Bund der Steuerzahler, die Unternehmerverbände und andere, die bösen Steuern und Sozialabgaben für die schmaler gewordenen Brieftaschen der Beschäftigten verantwortlich zu machen. Die FDP skandierte dazu ihre Parole »Mehr Netto vom Brutto«, und so lenkten die Genannten geschickt von der wesentlichen Entwicklung der letzten Jahre ab: Stärker als die Nettolöhne sind die realen Bruttolöhne gesunken, zumindest in den unteren Lohngruppen – durch Ausweitung der Niedriglohnjobs, durch Ausstieg der Betriebe aus Tarifverträgen, durch lächerlich kleine Lohnsteigerungen oder gar Lohnsenkungen in krisengeschüttelten Betrieben.
    Filtert man die wichtigsten Fakten aus den verwirrend vielen Zahlen der Meldung heraus, bleibt nicht viel übrig: Blieben im Schnitt 1995 von 100 Euro brutto 65,23 Euro netto übrig,
waren es 2006 »nur noch« 64,41 Euro. Die Absenkung betrug also in elf Jahren knapp 1,3 Prozent. Das hätte eine jährliche Lohnerhöhung von 0,11 Prozent schon ausgeglichen!
    Darell Huff kommentierte Ablenkungsmanöver dieser Art süffisant: »Kannst du nicht beweisen, was du beweisen möchtest, so beweise etwas anderes und benimm dich so, als wäre es das Gleiche. In dem Lärm, der auf den Zusammenstoß der Statistik mit dem menschlichen Hirn folgt, wird kaum jemand den Unterschied beachten.« 15

7. Gefühlte Statistiken: Mythos Teuro
    Nicht immer stecken mächtige Verbände hinter dem Lug und Trug, der uns umgibt. Zuweilen schaffen es die Bürgerinnen und Bürger auch selber, sich mit Zahlen, persönlichen Erinnerungen und »gefühlten Statistiken« in die Irre zu führen. Ein Beispiel ist die Teuro-Debatte ab 2002.
    Fünf Jahre nach der Umstellung der DM auf den Euro, nämlich 2006, gab es im Internet-Wissensforum »Yahoo! Clever« eine Diskussion über den sogenannten »Teuro«, also das Gefühl vieler Menschen, dass viele Preise nach der Umstellung auf den Euro stark gestiegen seien oder sich sogar verdoppelt hätten. Der Fragesteller dort formulierte es so:

Weitere Kostenlose Bücher